Es ist nicht weniger als ein Ereignis, wenn sich Elina Albach ans Cembalo setzt, so kilometerweit entfernt sie sich dabei vom immer etwas eigenbrötlerischen Image kirchenmusikalischer Erbsenzählerei. Herrlich unaufgeregt perlen ihre Arpeggien, unerwartet muntert ihre Improvisationskunst auf. Ihre Klangrede wirkt so natürlich, dass es scheint, als sei die 34-Jährige mit ihrem Instrument wirklich familiär verwachsen.
Und da ist durchaus was dran, denn bei Elina Albach, hineingeboren in eine Berliner Musikerfamilie, stimmt das Klischee, schon als Kleinkind im Orchester unter den Instrumenten gelegen zu haben. „Mit drei hatte ich meinen ersten Gesangsauftritt in der Kirche, mit vier sang ich im Chor.“ Kein Wunder: Der Vater ist noch heute Kirchenmusiker, auch die fünf Geschwister spielen Instrumente.
Ein Haus voller Musik
Mit fünf Jahren lernt Elina auch Cembalo und wird dadurch von klein auf mit dem Repertoire der Kirchenmusik vertraut. „Eigentlich wollte ich ja immer Traversflöte spielen, aber im Wohnzimmer stand nun mal das Cembalo, auch eine Orgel und ein Klavier.“ Die beflissenen Eltern sind mit vielen Spezialisten der historischen Aufführungspraxis befreundet, kurz: Es ist ein Haus voller Musik, in dem Elina Albach aufwächst. Irgendwann nimmt sie sogar Privatunterricht bei Ton Koopman, wann immer er in Berlin vorbeikommt.
So ist für Elina Albach schon mit dreizehn Jahren völlig klar, dass sie einmal an der Schola Cantorum Basiliensis studieren wird. Fünf Jahre später ist es endlich so weit. Doch ihr Vorsprung vor den Kommilitonen, die sich erst in ihrer Studienzeit mit den Meilensteinen des Repertoires befassen, birgt die Gefahr der Langeweile: „Ich habe schon sehr früh im Orchester mitgespielt und barocke Werke kennengelernt, so dass klar war, dass ich das nicht ewig weitermachen will.“ Sie nennt es eine Art von „positiver Übersättigung“, die sie dazu bringt, über die bis dahin engen Grenzen des Repertoires hinauszublicken.
Eher durch Zufall springt sie bei einer Tournee für eine erkrankte Kollegin beim auf zeitgenössische Musik spezialisierten Solistenensemble „Kaleidoskop“ ein. „Plötzlich war ich mit Werken konfrontiert, die ich überhaupt nicht kannte, und das hat in mir die Neugier und Lust auf musikalische Abenteuer geweckt.“ Einerseits ist Elina Albach mit Althergebrachtem regelmäßig auf zahlreichen Konzertpodien auf vier Kontinenten zu erleben, und viele Stipendien und Preise später darf die Presse konstatieren: „Sie will für die Alte Musik Zukunft.“
Neue Kompositionen fürs barocke Instrument
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. So entwickelt sie nicht nur mit Klangspezialisten eine neue Aufnahmetechnik für das dünn gezupfte Instrument, sondern weitet den Horizont: Mag zwar das moderne Repertoire für das auf die Barockzeit festgelegt scheinende Cembalo sehr übersichtlich sein – doch das will dessen umtriebige Fürsprecherin beständig ändern. In diesem Frühjahr besorgte sie bei den Thüringer Bachwochen die deutsche Erstaufführung des Cembalokonzertes ihrer amerikanischen Lieblingskomponistin Caroline Shaw. Alljährlich beauftragt sie nicht nur zwei gänzlich neue Werke, sondern arrangiert auch andere bereits bestehende für ihr Ensemble „Continuum“ und sich selbst um. Auch vor Cross-Over-Projekten ist ihr Cembalo nicht sicher.
Dabei muss Elina Albach auch Aufbauarbeit leisten: „Die Hochschulen müssen verstehen, dass es auch für Studierende der Alten Musik wichtig ist, sich mit der musikalischen Gegenwart zu beschäftigen, um etwas erzählen zu können“, sagt sie. „Auch die Historische Aufführungspraxis war ja ursprünglich ein Alternativentwurf zum konservativen Klassikbetrieb, hat sich aber inzwischen selbst etabliert.“ Daher könnten sich heute viele Studierende in ein gemachtes Nest setzen und glauben, sie müssten nichts mehr neu entdecken. Dadurch würden sie bequem und verlören die Verbindung zum Heute. „Ich halte es aber für immens wichtig, dass man sich als zeitgenössische Stimme begreift“, sagt Elina Albach. Und es scheint, als könnte sie damit Vorbildwirkung für eine ganz neue Generation entfalten.