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Georg Zeppenfeld im Porträt

Unspektakulär zur Weltspitze

Georg Zeppenfeld ist ein Star in Bayreuth und mehr als ein souveräner Wagner-Bass.

vonRoland H. Dippel,

Es ist einer der wenigen freien Tage für Georg Zeppenfeld während der diesjährigen Bayreuther Festspiele. Vier Partien singt er dort, so viele wie noch nie in einem Bayreuth-Jahrgang: Marke in „Tristan und Isolde“ – Anmerkung des 56-jährigen: „Sind ja nur zwei Vorstellungen“. Hunding in „Die Walküre“: „Nicht so umfangreich“. Daland in „Der fliegende Holländer“ blieb unkommentiert – und Gurnemanz in der „Parsifal“-Neuinszenierung von Jay Scheib. Gurnemanz gehört zu den umfangreichsten Partien der Opernliteratur und beschert dem Bassisten jubelnde Ovationen.

Unser langes Gespräch ist bemerkenswert. Es geht Georg Zeppenfeld nicht um Selbstinszenierungen auf der Bühne und im Leben, sondern um Inhalte und Substanz. Weil es für das Treffen auf einer Bank im Festspielpark oder einem Gastgarten zu nass war, sitzen wir Ende Juli im Festspielhaus. Viele reagieren dort auf die den Adrenalin-Output forcierende Atmosphäre aus Spannung und vibrierendem Grundrauschen sofort. Zeppenfeld bleibt konzentriert. Seine Ruhe und Klarheit machen das Gespräch auch deshalb zu einem Vergnügen, weil es nie um ihn allein geht. Zeppenfeld setzt sein eigenes Tun immer in Beziehung zum großen Ganzen des Theater- und Konzertuniversums. Gewiss beobachtet der gebürtige Westfale seit seinen Anfangsjahren an den Theatern in Münster und Bonn vor allem bei internationalen Gastauftritten die Beschleunigung und Erhitzung der Musiktheaterszene. Vor dieser schützt er sich durch einen Residenzvertrag an der Semperoper Dresden, welcher ihm jede Spielzeit einen fünfmonatigen Aufenthalt als reguläres Ensemblemitglied ermöglicht.

Zeppenfelds Karriereentwicklung wirkt von außen fast unspektakulär folgerichtig und deshalb entspannt. Nach zwei ersten Bayreuther Festspiel-Jahren 2010 und 2011 als König Heinrich in Hans Neuenfels‘ „Lohengrin“-Inszenierung verbrachte er drei Sommer in Salzburg. Seit seiner Rückkehr als Marke in Katharina Wagners Inszenierung von „Tristan und Isolde“ 2015 ist er jedes Jahr dort mit immer umfangreicheren Aufgaben aktiv. „Mein Festspielpensum empfinde ich zwar als sehr herausfordernd, aber es gibt für Bässe bei Wagner und auch sonst weniger ,Hochrisikopartien‘ als für dramatische Soprane oder Tenöre“, relativiert Zeppenfeld.

Georg Zeppenfeld als Gralsritter Gurnemanz in Wagners „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen 2023
Georg Zeppenfeld als Gralsritter Gurnemanz in Wagners „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen 2023

Georg Zeppenfeld hat mit einer Ausnahme alle großen Wagner-Partien gesungen

Bei Zeppenfelds Repertoire fällt auf, dass er wie der wesentlich dunklere und tiefer positionierte Ausnahme-Bass Kurt Moll alle großen Wagner-Partien gesungen hat – mit Ausnahme von Hagen in „Götterdämmerung“. „Mit meinem eher lyrischen Stimmcharakter eigne ich mich nicht besonders für solch ausgeprägte Charakterpartien“, räumt Zeppenfeld ein. Im nächsten Satz spricht er von dem für seinen Beruf unerlässlichen „Draufgängertum“. In seiner durch ein Germanistikstudium gestärkten Sprachsensibilität bedeutet dieses Wort allerdings nicht „riskante Tollkühnheit“, sondern „Mut unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen“.

„Bei meinem Debüt mit der Partie des Hans Sachs in ,Die Meistersinger von Nürnberg‘ bei den Salzburger Osterfestspielen musste ich damit rechnen, dass aufgezeichnet wird und die Einspielung in den Handel kommt. Dabei habe ich in der Dresdner Premiere und der Wiederaufnahme im Frühjahr 2023 logischerweise mit mehr Erfahrung und, wie ich finde, besser gesungen.“ Auch hier polemisiert Zeppenfeld nicht gegen strukturelle Erschwernisse, sondern rekapituliert Gipfel- und Bewährungsmomente mit selbstkritischem Einschätzungsvermögen. Den Hans Sachs sang er bisher nur unter Christian Thielemann, der ihn zu diesem Wagestück für jeden Bass, aber auch Bariton überredete und damit für Zeppenfeld einen Riesenerfolg einleitete. Dessen für die Basspartien Wagners eher helles Timbre und relativ hoher Stimmsitz prädestinieren Zeppenfeld auch für das italienische und das bislang von ihm leider stark vernachlässigte französische Fach. Zaccaria in „Nabucco“ sang er in Dresden und Zürich. Als Raimondo in Dietrich Hilsdorfs dem Roman von Walter Scott packend angenäherter Dresdner Inszenierung von „Lucia di Lammermoor“ wurde Zeppenfeld neben der Titelbesetzung zum gefeierten Mittelpunkt der Aufführung.

„Unmittelbares Können wichtiger als Karriereplanung“

Für ihn bedeutet es eher künstlerische Selbstverständlichkeit als erwähnenswerte Individualität, dass er auch eine Belcanto-Partie wie Conte Rodolfo in Bellinis „La sonnambula“ neben dem in Deklamation und Gesang herausfordernden Gurnemanz verkörpert. Eine Erfahrungsgrundlage für den sängerischen Nachwuchs ist ihm gerade deshalb wichtig: „Denkt mehr an euer unmittelbares Können in Gesang und Spiel als an Karriereplanung und Medienpräsenz. Der souveräne Umgang mit euren stimmlichen Mitteln und der Musik, die Ihr machen wollt, ist für jedes sängerische Ziel und menschliche Zufriedenheit viel wichtiger.“

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