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Porträt Guillermo García Calvo

Doppelleben mit Format

Guillermo García Calvo hat das Theater Chemnitz geprägt – und das Theater ihn. Nun neigt sich diese fruchtbare Zusammenarbeit ihrem Ende zu.

vonRoland H. Dippel,

An spanischen Orchestern liebt Guillermo García Calvo die „paradiesisch klingenden Holz- und Blechbläser“ sowie deren „­außergewöhnliche Individualität“. Bei der Robert-Schumann-Philharmonie, die der Chemnitzer GMD als Chefdirigent leitet, schwärmt er vom „durch Tradition gewachsenen, unverwechselbaren Streicherklang“ und der „weltweit einmaligen Weichheit der Tongebung“. Von der Wiener Staatsoper kam Calvo nach Chemnitz, einem Zentrum der von ihm so bewunderten Orchester- und Hofkapellenkultur Mitteldeutschlands. „Die Robert-Schumann-Philharmonie hat eine ähnliche Klanglichkeit wie die Dresdner und Leipziger Orchester. Auch weil viele ­Musiker zwischen diesen Wohnorten und Chemnitz pendeln, ist die Kommunikation über musikalische Stilistik in Mitteldeutschland besonders intensiv.“

Die Liebe zu diesen Meilensteinen des 20. Jahrhunderts

Zwei Jahre von Calvos Chemnitzer Zeit, die 2017 begann, waren überschattet von der Pandemie. Seit 2020 teilt er seine Aufgaben zwischen der sächsischen „Stadt der Moderne“ und der Position des Chefdirigenten am Teatro de la Zarzuela in Madrid, wo er mit Opernentdeckungen wie Circe von Ruperto Chapí ein ganz anderes Repertoire pflegte. Obwohl er sein Wunschstück, Strauss’ „Frau ohne Schatten“, wegen der Pandemie nicht rea­lisieren konnte, ist Calvos Output an groß besetzten Werken in der sächsischen Wagner-Metropole gewaltig. In seiner letzten Spielzeit erfüllte er sich mit Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ und Bergs „Wozzeck“ (Premiere am 16. Juni) zwei große Wünsche.

„Meine Liebe zu diesen Meilensteinen des 20. Jahrhunderts entdeckte ich während meiner Zeit als Korrepetitor an der Wiener Staatsoper“, sagt Calvo und erwähnt immer wieder, wie wichtig für ihn diese Position für seine dirigentische Entwicklung wurde. In Chemnitz machte er auch die „Fledermaus“ zur Chefsache und hatte die Souveränität, zwei Premieren des „Ring“-Zyklus’ dem hochbegabten Felix Bender, jetzt GMD in Ulm, anzuvertrauen. Generalintendant Christoph Dittrich und Calvo zogen an einem Strang vom „Ring des Nibelungen“ über „Aida“ und „Lohengrin“ bis zu Calvos Klaviersoirées im Opernfoyer. „Als Pianist freut es mich immer, wenn ich die Herzen der Leute erreiche“, erklärt Calvo seine Vorliebe für dieses Instrument.

War in seinen ersten ersten Jahren als Dirigent „oft wesentlich zu laut“: Guillermo García Calvo
War in seinen ersten ersten Jahren als Dirigent „oft wesentlich zu laut“: Guillermo García Calvo

Außergewöhnliche Wagner-Interpretationen

Calvo hatte es nicht nötig, die Chemnitzer GMD-Position als Lern- und Debüt-Arena für das große Repertoire zu nutzen, sondern brachte bereits profunde Wagner-Kenntnisse mit. Sogar für Bayreuth-erfahrenes Publikum waren seine Chemnitzer Aufführungen mit ihren lichten Klangkontrasten, einer prägnanten Synergie zur Szene und der für Wagner-Stimmen einmaligen Transparenz etwas Außergewöhnliches.

„Dabei war ich in meinen ersten Jahren als Dirigent oft wesentlich zu laut“, sagt Calvo, wenn man ihn auf sein Ideal der schlanken Transparenz anspricht. „Es gibt bereits von Wagner genutzte Mittel, den Orchesterklang nicht allzu massiv werden zu lassen. Zum Beispiel können Musiker die Notenwerte etwas verkürzen.“ Verkleinerungen in der Besetzung werden, was sich Calvo immer wieder in Erinnerung, ruft, für eine bessere Balance zwischen den Instrumentengruppen und den Stimmen angewandt. Seine Zusammenarbeit mit Elisabeth Stöppler, deren „Götterdämmerung“ mit dem Theaterpreis „Faust“ ausgezeichnet wurde, setzte sich in einem packenden „Tristan“ fort.

Guillermo García Calvo beschert immer wieder Sternstunden

Zwischen den bekannteren Häusern Leipzig und Dresden kam es in Chemnitz durch die Durchmischung des bestehenden Ensembles mit Gästen aus Calvos künstlerischem Umfeld immer wieder zu Sternstunden. Stéphanie Müther perfektionierte sich als Brünnhilde und Isolde zu einem mit dieser Klasse seltenen hochdramatischen Sopran. Aris Argiris debütierte als hochkarätiger Wotan, Cornelia Ptassek veredelte die Fach-Position des jugendlich-dramatischen Soprans und mit Gustavo Peña erlebte man in Arila Siegerts strichloser „Carmen“-Inszenierung den aufregendsten Don José seit Neil Shicoff. Es waren künstlerisch wertvolle Jahre, in denen Calvo die Substanz der Robert-Schumann-Philharmonie durch mediterrane Gründlichkeit befeuerte: Ein musikalisches Doppelleben mit ­Format.

Album-Tipp:

Album Cover für Sommer: Orchesterlieder

Sommer: Orchesterlieder

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