Er war noch ein Kind, als er alle zwei Wochen zum Klavierunterricht nach Peking fuhr. Die Fahrt dauerte 13 Stunden. Das machte er ein halbes Jahr lang, dann zog Haiou Zhang mit seiner Mutter in die Metropole, wo sie zunächst keine feste Wohnung fanden, sondern in der Abstellkammer einer Schule wohnten. Er bereitete sich auf die Aufnahmeprüfung am Central Conservatory of Music in Peking vor und wurde tatsächlich aufgenommen. Da war er zehn Jahre alt.
Acht Jahre später verließ er das Konservatorium mit Auszeichnung und wechselte nach Hannover, um sein Spiel an der Hochschule für Musik und Theater zu vervollkommnen. Zu dieser Zeit sprach der ehrgeizige Junge kein Wort Deutsch. 2011 schloss er sein Konzertexamen mit Höchstnote ab, gewann diverse Preise und nahm CDs auf. Über seine Mozart-Aufnahmen äußerte sich der Kritiker Helmut Mauró angetan und konstatierte im direkten Vergleich zu anderen Pianisten der jungen Generation eine „technisch verspielte Unbekümmertheit“.
Neuer Musikdirektor der Reihe „Öschberghof Klassik“: Haiou Zhang
Technisch, aber unbekümmert? Ja, diese Kombination macht den stets elegant gekleideten Pianisten, der in seinem Auftreten mit perfekt sitzenden Anzügen nebst Hut ein wenig an die Goldene Ära Hollywoods erinnert, nicht nur in seinem Spiel aus. Er packt die Dinge an, plant akribisch, setzt pragmatisch um, um dann alle Freiheiten zu genießen. Er organisiert seine Konzerte selbst, ist auf sozialen Kanälen unterwegs und gestaltet seit 2010 als Künstlerischer Leiter das von ihm mitgegründete International Music Festival Buxtehude, Altes Land & Harburg. Alle zwei Jahre verleiht er dort den Haiou Zhang Piano Award.
In diesem Jahr wollte der umtriebige Pianist als neuer Musikdirektor erstmals die Reihe „Öschberghof Klassik“ in Donaueschingen eröffnen – doch Corona macht Zhang kurzfristig einen Strich durch die Rechnung. Bereits im November 2019 war er dort zu Gast und überzeugte nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seiner engagierten und spontanen Art. „Ich möchte etablierte Künstler und junge Talente zusammenbringen“, sagt der 36-Jährige, der am Vorabend der Reihe auch einen Meisterkurs geben wollte. In seiner Ausbildung habe er selbst erlebt, wie wichtig es ist, gleichzeitig zu fordern und zu fördern.