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Porträt Hinrich Alpers

Der Ecken-Ausleuchter

Hinrich Alpers vermag die Zuhörer durch sein Spiel ebenso zu fesseln wie durch Anekdoten und Erklärungen

vonSören Ingwersen,

Was ist eine Mannheimer Rakete? Warum empfiehlt es sich, auch gegen den Willen des Komponisten dessen Schubladen zu durchsuchen? Und was hat eine Beethoven-Sonate mit einer Schloss-Architektur gemeinsam? Bevor Hinrich Alpers sich an die Tasten setzt, gibt der Pianist seinem Publikum gerne anschauliche Erklärungen und Anekdoten mit auf den Konzert-Weg. So auch bei seinem Beethoven-Zyklus, den er erstmals auf der „Internationalen Sommerakademie Lüneburger Heide“ aufführte: 2010 hat der Musiker, der sein Klavierstudium in Hannover und New York absolvierte, das Festival mit Konzerten und Meisterkursen in seiner Geburtsstadt Uelzen ins Leben gerufen.

Dabei war Beethoven für ihn als Jugendlicher eher ein rotes Tuch gewesen: Bei „Jugend musiziert“ spielte der 14-Jährige lieber die Sonate von Berg – und hinterließ eine beeindruckte, aber etwas ratlose Jury ob dieser ungewöhnlichen Stückwahl. „2009 habe ich den Beethoven-Wettbewerb in Bonn gewonnen und gedacht: Jetzt musst du natürlich Beethoven spielen. So habe ich quasi im Vorübergehen immer mal wieder eine Sonate einstudiert“, erzählt Alpers – und lobt nebenbei den thailändischen Rindereintopf, den er sich bestellt hat. Ja, er sei auch ein Gourmet und koche gern – etwa für seine Frau und die drei kleinen Söhne, mit denen sie in Berlin leben. Als der erste auf die Welt kam, nutzte Alpers die Zeit zu Hause zum intensiven Studium der Beethoven-Sonaten. Als zwei Jahre später die Zwillinge folgten, hat er sich das gesamte Klavierwerk Ravels vor- und auch aufgenommen: „Ich bin nicht wahnsinnig versteift auf Komplettprojekte, aber ich leuchte gerne in möglichst viele Ecken hinein, wenn ich mich mit etwas befasse.“

„Kubricks Filme kann man mit Mahlers Sinfonien vergleichen“

Versteift oder nicht – 2017 wird ein weiteres Komplettprojekt erscheinen: Mit Freunden hat Alpers die Lieder und Kammermusik des im Ersten Weltkrieg jung gestorbenen Komponisten Rudi Stephan eingespielt. „Dessen Musik habe ich mit vierzehn im Sinfoniekonzert in meiner Heimatstadt kennengelernt – und ich war absolut plattgebügelt. Von da an gehörte Rudi Stephan zu meinem Leben.“

Doch auch andere Künstlergrößen lassen sein Herz höher schlagen: die Pianisten Walter Gieseking und Swjatoslaw Richter, weil sie so vielseitig waren und ohne Scheuklappen musizierten. Oder der 1999 verstorbene Stanley Kubrick, zu dessen Familie und ehemaligem Produzenten Jan Harlan der umtriebige Musiker Kontakte unterhält: „Es gibt zwölf große Kubrick-Filme. Das sind Meisterwerke für die Ewigkeit, die man mit den Sinfonien Beethovens oder Mahlers vergleichen kann.“ Meisterwerke eines Regisseurs, der eine Szene für The Shining 140-mal von seinen Schauspielern wiederholen ließ: „Er wartete immer darauf, dass etwas passierte, von dem er sagen konnte: „Das ist es!“, erzählt Alpers. „Er hat sich vom Augenblick inspirieren lassen: Als mir das klar wurde, bin ich viel offener geworden beim Erarbeiten und Spielen von Musik.“ Eine Einstellung, die ihm zu Gute kam, als er 2012 Cages Sonatas and Interludes für präpariertes Klavier aufführte: „Man muss unglaublich viel ausprobieren und verbringt Wochen im Baumarkt, um Material und Schrauben zu kaufen – es gibt welche, die klingen gut, und andere eben nicht.“

Dabei gilt Alpers Suche keineswegs dem reinen Schönklang. Für Aufnahmen in Kanada konnte er zwischen zwei Steinways wählen: „Der neue Flügel war natürlich toll, perfekt und ausgewogen – doch der 1970er-Flügel hatte eine ganz eigene Qualität: Er konnte hysterisch sein. Das habe ich sehr gemocht.“ Schließlich soll die Mannheimer Rakete – so der Fachbegriff für eine schnell aufsteigende Tonfolge in der Melodiestimme – ja auch zünden.

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