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Porträt Justus Frantz

Diplomat im Auftrag der Musik

Über 70 und kein bisschen müde: Justus Frantz ist aktiv wie nie

vonSören Ingwersen,

Ein schmaler Weg führt durch wild wucherndes Grün zum Sitz- und Essplatz unter mächtigen Bäumen. Ein verwunschener Ort, fast wie im Märchen. Doch die Zeit, die Justus Frantz in seinem Garten im feinen Hamburg-Pöseldorf verbringt, ist begrenzt. Zwar ist der vielbeschäftigte Dirigent und Pianist über 70, aber eine ruhigere Gangart einzuschlagen kommt für ihn nicht in Frage: „Ich habe mehr Kräfte denn je. Morgens laufe ich um die Alster und auf Gran Canaria Strecken bis zu dreizehn Kilometer.“

Auf der kanarischen Insel hat Frantz eine Finca mit Ziegen, Schafen, Eseln und einem ebenfalls märchenhaften Garten. Dort und in der Umgebung findet jeden Sommer sein Finca Festival statt: Zehn Tage lang spielen Musiker aus aller Welt ein Programm, das neben Klassik und Romantik auch viele Uraufführungen bietet wie in diesem Jahr El Monte Santo de Gran Canaria aus der Feder des Komponisten und Hamburger Musikhochschul-Präsidenten Elmar Lampson. Und die Liste prominenter Tonsetzer, die auf der idyllisch gelegenen Finca neue Werke schufen, ist lang: Gian Carlo Menotti, Samuel Barber, Arvo Pärt, Peter Ruzicka … Auch Frantz‘ Musikerfreund Leonard Bernstein war hier ein gern gesehener Gast und überarbeitete auf dem Eiland seine Operette Candide.

Vielfältige Talente: vom Pianisten zum Festivalintendanten

Genug der musikalischen Erinnerungen, erst einmal müssen nun die Datteln probiert werden: getrocknet, doch ausgesprochen fruchtig. Frantz hat sie aus Israel mitgebracht, wo er seit letztem Jahr als Chefdirigent die Israel Sinfonietta Beer Sheva leitet und zu einem großen Sinfonieorchester aufbauen soll. Als erster nichtjüdischer Künstler bekleidet er dieses hohe staatliche Amt. „Eigentlich dachte ich, es sei zu früh, dass ein Deutscher einen solchen Posten übernimmt. Aber selbst der Staatspräsident meinte, das sei ein wichtiges Symbol.“ Und um Zeichen zu setzen und neue Impulse zu geben, ist der Tausendsassa genau der richtige Mann.

Dabei schien eigentlich eine Karriere als Solist vorgezeichnet, nachdem er 1970 von Herbert von Karajan für eine Tournee mit den Berliner Philharmonikern engagiert worden war. In den Folgejahren musiziert Frantz mit den renommiertesten Orchestern wie den Wiener Philharmonikern oder dem Orchestre de Paris und gibt sein Debütkonzert in den USA mit den New Yorker Philharmonikern unter Leonard Bernstein. Doch spätestens mit seiner Gründung des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Jahr 1986, das Frantz neun Jahre als Intendant leitete, zeigte sich noch ein weiteres Talent des im polnischen Inowrocław geborenen Musikers: „Ich hatte schon immer einen gewissen missionarischen Eifer und den Drang, andere Menschen für Dinge zu begeistern, die ich schön finde.“

Und noch eine Begabung: Entertainer und Vermittler

Als 15-Jähriger schloss er sich mit seinem Onkel, der keinen Sinn für moderne Klänge hatte, im Zimmer ein, um ihm Hindemith vorzuspielen. „Teufelsmusik!“ schrie der Onkel. „Engelsmusik!“ konterte der Neffe. Zum Glück wurden später die Methoden subtiler, um auch klassikferne Zuhörerschichten von der Schönheit des musikalischen Erbes zu überzeugen – und erfolgreicher. Zehn Jahre lang moderierte Justus Frantz die ZDF-Sendung „Achtung! Klassik“, für die er 1993 die Goldene Kamera erhielt. Mit Konzerten und Workshops für Kinder sowie der CD-Reihe „Klassik für Kids“ begeistert er auch die jüngsten Zuhörer. Und immer wieder musiziert seine Philharmonie der Nationen, die Frantz seit fast zwanzig Jahren leitet, vor Staatsoberhäuptern oder auch dem Papst – so wie am 25. Oktober, wenn zu Ehren von Papst Franziskus in der Basilica di San Giovanni in Laterano Mahlers Zweite erklingt. 

Nachwuchsförderung: Auch zur Völkerverständigung trägt Frantz bei

Als 1989 in Berlin die Mauer fiel und der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West endgültig zerbrach, hatte Bernstein die Idee, ein internationales Orchester zur Nachwuchsförderung zu gründen – sechs Jahre später setzte Frantz den Gedanken in die Tat um. Heute finden sich in der Philharmonie der Nationen Musiker aus 40 Nationen, versteht sich das Orchester als Symbol des Friedens und der Völkerverständigung. Für Frantz aber ist ein Wunsch aus Kindertagen in Erfüllung gegangen: Hatte er doch damals keinen Gedanken an eine Karriere als Musiker verschwendet, sondern wollte Geschichte, Jura oder Politologie studieren und in den diplomatischen Dienst treten. Heute ist der vielsprachige Künstler auf internationalem Parkett unterwegs – als Diplomat im Auftrag der Musik.

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