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Spielstätten-Porträt Theater Altenburg-Gera

Kampf in der Diaspora

Das Theater Altenburg-Gera gehört zu den tapfersten und ambitioniertesten Kulturverteidigern in einer erlahmenden Region

vonChristian Schmidt,

Sprach ein Thüringer früher davon, von einem Hügel aus „die halbe Welt“ überblicken zu können, war das selten übertrieben: Nirgendwo sonst im Deutschen Reich trieb die Kleinstaaterei solche Blüten wie hier, wo „eine Welt“ im Zweifel nur wenige Dörfer umfasste. Zu Zeiten, da die Kultur noch politisch relevant war, hieß das auch, dass jede kleine Residenz ein Theater besaß. Nicht wenige konnten ihre Existenz nicht in die bundesdeutsche Kulturwelt der freiwilligen Ausgaben retten; selbst einst große Häuser wurden zusammengeschmiedet wie die Ensembles aus Gera und Altenburg in Ostthüringen.

Doch als 2014 mit Bodo Ramelow der erste linke Ministerpräsident in Deutschland gewählt wurde, frohlockte die Thüringer Kultur: Alle Spielstätten und Orchester sollten erhalten werden, so stand es im Koalitionsvertrag mit der SPD. Spätestens in diesem Jahr allerdings bewies die linke Staatsregierung ihre beispiellose Ideen- und Hilflosigkeit, indem sie verschiedentlich Fusionen, Stellenkürzungen und komplette Schließungen vorschlug: In Weimar etwa soll die Oper, immerhin ein Teil des so genannten „Deutschen Nationaltheaters“, ganz aufgegeben werden.

Herausragendes Programm mit selten gespielten Opern

Auch für das Orchester Altenburg-Gera ist eine Reduktion der Stellen von 73 auf 57 im Gespräch – die dann folgerichtige Überalterung würde einen Qualitätsverlust unausweichlich machen. Was besonders bitter wäre, ist doch das Doppeltheater seit den Neunzigern dafür bekannt, selten gespielte Opern aus der Versenkung zu holen, vor allem üppig besetzte aus dem 20. Jahrhundert: sei es Korngolds Tote Stadt oder Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk. In der neuen Saison inszeniert Intendant Kay Kuntze die fantastische Oper Rübezahl von Hans Sommer, der heutzutage allenfalls noch als Kompagnon von Richard Strauss als Gründer der GEMA bekannt ist. Und in der Reihe „Die 20er Jahre“ brachte das Theater soeben die Paul-Abraham-Operette Viktoria und ihr Husar heraus.

Diese ambitionierten Programme, die im strukturschwachen Ostthüringen auf erstaunlich große Resonanz stoßen, wären dann nicht mehr möglich. Dabei besitzen beide Häuser eine jahrhundertealte Tradition und ebensolche wunderschöne Theatergebäude aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. „Der große Charme ergibt sich hier dadurch, dass man mit dem Fahrrad zum Rosenkavalier fahren kann“, sagt Intendant Kuntze, der seit vier Jahren das Haus führt. Zudem kommen seit der schnellen S-Bahn-Anbindung immer mehr Leipziger nach Altenburg: Die einstige Residenzstadt mit ihren 35 000 Einwohnern ist architektonisch ein Kleinod und erfreut sich eines starken Lokalpa­trio­tismus’. „Unser Theater wird hier sehr geschätzt“, übt sich der Intendant denn auch in Zweckoptimismus. 

Immerhin fünf Sparten bespielt er konsequent an beiden Standorten, auch wenn in Altenburg eher regional verortete Stücke ziehen, während in Gera das Opernpublikum die Vorreiterrolle einnimmt. Die einstige Großstadt mit heute 96 000 Einwohnern liegt in jeder Hinsicht am Rande Thüringens und leidet unter akuter Geldnot.

Stadtwerke und Verkehrsbetriebe sind schon insolvent, der Haustarifvertrag des Theaters läuft nur noch bis 2016. „Was dann passiert, werden wir sehen“, sagt Kuntze. Auch wenn beide Theater vergangene Saison zusammen 135 000 Zuschauer zählten und somit rein rechnerisch jeder Einwohner einmal da war: Zuversicht klingt anders. Kein Wunder, sind doch nach der Fusion 1995 von den einst 600 gerade mal 290 Mitarbeiter übriggeblieben. Und dennoch ist die Unverzagtheit unüberhörbar: Immerhin stand das Haus vor fünf Jahren schon vor der Pleite – ein Notfallplan brachte damals die Rettung. 

Rückendeckung durch die Kommunalpolitik

„Unser Programm ist das eines klassischen Stadttheaters: sehr vielfältig und für alle Zuschauersegmente gedacht“, betont der Intendant. Auch 25 Euro für eine Opernkarte seien in Gera für nicht wenige eine hohe Investition, die Integrationsleistung des Theaters daher eine große Herausforderung. „Zum Glück erfreuen wir uns kommunalpolitisch einer sehr großen Lobby, aber ohne starke Unterstützung durch den Freistaat werden wir scheitern.“

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