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Porträt Khatia Buniatishvili

Eine Flügelstürmerin, die zu gestalten weiß

Ein „Symbol musikalischer Einsamkeit“ sei das Klavier, hat Khatia Buniatishvili schon früh festgestellt. Seither ringt sie um die grenzenlose Freiheit auf den Tasten

vonChristoph Forsthoff,

Wunderkind? Nein, diese Bezeichnung, die nach Drill und früher, einseitiger Orientierung klingt, hat Khatia Buniatishvili für sich nie gemocht: „Ich hatte eine glückliche Kindheit.“ Aber ist es wirklich „normal“, wenn ein kleines Mädchen mit sechs Jahren als Solistin mit Orchester debütiert und als Zehnjährige ihre erste Europatournee absolviert?

„Ich wollte schon immer Klavier spielen“, erinnert sich die junge Pianistin. „Mit drei saß ich zum ersten Mal am Klavier, mit fünf habe ich nach Noten gespielt, mit sechs war mir klar, ich wollte Musikerin werden – und ich habe nie daran gedacht aufzuhören.“ Aufgehört hat damals hingegen ihre Mutter – oder vielmehr ihren Job als Programmiererin aufgegeben, als sie das musikalische Talent ihrer beiden Töchter erkannte, das absolute Gehör der kleinen Khatia. Was dann doch nach der rigiden und ihre Kinder drillenden „Tiger Mom“ klingt … Aber die Georgierin unterbindet solche Gedanken sogleich: „Sie wollte einfach Zeit für uns haben und ist Hausfrau geworden – das hatte nichts mit der Musik zu tun“, sagt Buniatishvili. „Sie war nie streng, es gab nie Druck – sie hat sich gefreut für uns.“ Eine ganz normale Familie also?

Auf Körperkontakt mit dem Klavier und seinen Klängen

Zweifellos spielt die Musik, insbesondere die Volksmusik, in ihrer Heimat eine weitaus bedeutendere Rolle im Leben der Menschen als hierzulande. Jede Region hat ihre eigenen Klänge, „fast jede Familie hat Instrumente zu Hause, jeder singt“, erzählt die bildhübsche Wahl-Pariserin, deren bezaubernder französischer Akzent keineswegs allein männliche Zuhörer becirct. Und so hatten denn die kleine Khatia und ihre Schwester Gvantsa nicht nur ein Klavier in ihrem Kinderzimmer stehen, sondern stimmten schon als Dreijährige die in ihrer Vielstimmigkeit so reichen georgischen Volkslieder an. Erfahrungen, die der Pianistin bis heute zugute kommen: „Wenn ich spiele, habe ich das Gefühl, dass ich polyphonisch denke.“

Verkopft sind die Interpretationen der Flügelstürmerin, die sich längst in die Weltelite der Tastenkünstler gespielt hat, dennoch keineswegs. Vielmehr paaren sich bei ihr ein hellwacher Geist mit Leidenschaft und Gestaltungskraft, schöpft Buniatishvili auf der Klaviatur die ganze Tastenbreite zwischen intimen Zwiegesprächen und rauschhafter Freiheit aus.

Ein lebenslanger Kampf auf schwarzen und weißen Tasten

Eine bisweilen sehr extrovertierte Körpersprache, deren Bedeutung ihr Lehrer Oleg Maisenberg der Georgierin vermittelt hat: Jede Stimme, jeder Klang müsse mit dem Körper gefühlt werden, lautet das Credo des Klavieraltmeisters. Und so lässt seine einstige Schülerin ihr Publikum nur zu gern teilhaben an ihren emotionalen Seelen-Ausflügen, die im Konzert immer wieder das Bild einer wie in Trance am Flügel sitzenden und sich in der Musik verlierenden Künstlerin mit sich bringen: „Ich bin ein Mensch für die Bühne – ich mag es, was das Adrenalin auf der Bühne mit mir macht.“

Eine Wirkung, die keineswegs einseitig bleibt, wie sie festgestellt hat: „Es ist toll, hinterher zu sehen, wenn man den Menschen etwas gegeben hat – weil das bedeutet, dass man nicht nur für sich selbst gearbeitet und geübt hat.“

Geben, das bedeutet für diese Virtuosin mehr als der heute gern gepflegte Geschwindigkeitsrausch auf den Tasten, mehr als jene technische Perfektion, die von vielen zum Gradmesser erhoben wird. „Künstlerische Dinge kommen nicht einfach so, da gibt es Kämpfe auszutragen“, sinniert die Klavierpoetin. „Es ist wie bei einer Skulptur, die mit den Händen gearbeitet werden muss.“ Eine lebenslange Arbeit, an die Buniatishvili nun in München einmal mehr ihre gestaltende Hand anlegen wird.

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