Es ist die Fluchterfahrung, die für die Konzerte der Reihe „Living Music 2018“ als thematische Klammer gesetzt ist. Viele Musikschaffende jüdischer Abstammung mussten Deutschland nach der nationalsozialistischen Machtergreifung verlassen. In ihren Kompositionen haben sie sich teilweise intensiv damit auseinandergesetzt. Bei manchen führte das Trauma des erzwungenen Exils zur völligen Veränderung ihres kompositorischen Stils.
Die musikalischen Werke dieser Künstlerpersönlichkeiten sind für die Zuhörer als Erinnerungsraum eine kostbare Möglichkeit diese Erlebnisse nachempfinden zu können. Die Wiederaufführung ist insofern ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur.
Komponistinnen im Fokus – „Living Music 2018“
Kompositionen von Frauen waren bei der allmählichen Entdeckung dieses Repertoires gar nicht von Anfang an Teil des Programms von Initiatorin und Sängerin Mimi Sheffer. Erst die Frage einer Konzertbesucherin, ob denn auch jüdische Emigrantinnen ein Œvre hinterlassen hätten, regte sie zur Recherche an. Ihre reichen Funde stehen nun sogar im Zentrum von „Living Musik 2018“.
Mit der neuen Konzertreihe wird an den Erfolg des „New Life Festival“ angeknüpft, das im Juli 2017 in der Berliner Villa Elisabeth stattgefunden hat. Mit dem im ehemaligen Rathaus untergebrachten Potsdam Museum haben die Musiker eine besonders ansprechende Spielstätte gefunden – ein auf Ideen von Friedrich II. beruhendes barockes Schmuckstück. Und weil es vom Potsdamer Hauptbahnhof aus günstig erreichbar ist, können auch Interessierte von Auswärts dabei sein ohne eine beschwerliche Anreise in Kauf nehmen zu müssen.
Aus Samenkörnern wachsen Blüten
Der erste Abend, ein jüdisches Neujahrskonzert, fand bereits im September stattt. Jeweils am ersten Sonntag des Monats werden dieses Jahr aber noch drei weitere Programme aufgeführt. Im Oktober stehen Arbeiten von Komponistinnen und Komponisten im Fokus, die in der NS-Zeit nach Israel auswanderten. Mimi Sheffer erklärt dazu: „Zu hören, wie diese grundsätzlich europäische Musik sich im Nahen Osten entwickelt hat, ist für mich besonders interessant.“ Die Werke von Komponistinnen wie Verdina Shlonsky, Helen Greenberg-Medwedeff und Rosy Kulmann-Geiger berührten ihre Seele sehr direkt.
Das erklärte Ziel, durch die Aufführung von Arbeiten jüdischer Frauen und Männer die Vielfalt ihrer Stimmen hörbar zu machen, führte Sheffer in die sprichwörtlich „staubigen Archive“. Diese lieferten mit hochwertigen Partituren die Samenkörner für dieses klingende kulturelle Gedächtnis. Hoffentlich werden in Zukunft noch viele Blüten dieser Art zum Leuchten gebracht.
Entdecken Sie hier drei Lieder von Verdina Shlonsky:
concerti-Termintipp:
So. 4.11., 17:00 Uhr
Potsdam Museum
Living Music: Frauen spielen Frauen
Mimi Sheffrer (Sopran), Idit Shemer (Flöte), Orit Messer-Jacobi (Violoncello), Ruth Zori (Klavier)
Werke von Wertheim & Asherov-Kaulus
So. 2.12., 17:00 Uhr
Potsdam Museum
Living Music: Les Juives
Trio Figment
Werke von Fanny Mendelssohn, Mamlok, Shemer, Kopelman u. a.