Wildbad Kreuth am Tegernsee, etwa 60 km von München entfernt. Die Natur üppig, rundum Berge, ein See und ein Schloss: ein typisches urbayerisches Idyll, wie es bis in den hohen Norden Deutschlands geliebt wird. „Lago di Bonzo“ wird der Tegernsee manchmal boshaft bezeichnet – wegen seiner reichen Einwohner und Gäste. Dazu passt auch das Casino im nahen Bad Wiessee, in das vielleicht mancher CSU-Abgeordneter einkehrt, nach der Tagung, die jedes Jahr in Kreuth stattfindet.
Als „eine Adresse für die Seele“ sah der Bratscher Jurij Bashmet dagegen den Ort. Und meinte nicht sein Kurangebot, dessen Dampfbäder, Pflanzensäfte und Alpenkräuter wohl schon Zarin Alexandra von ihren Zipperlein geheilt hatten. Bashmet sprach von dem Musikfest Kreuth am Tegernsee, das sein Freund, der russische Geiger Oleg Kagan, 1990 gründete. Kagan starb noch im gleichen Jahr im Alter von nur 44 Jahren. Seine Witwe, die Cellistin Natalia Gutman, führte das Festival seinerzeit in seinem Sinne fort – und unter seinem Namen. Auffallend viele Künstler mit russischen Wurzeln oder solche aus osteuropäischen Ländern waren stets mit von der Partie, darunter Mstislaw Rostropowitsch, Swjatoslaw Richter und Radu Lupu sowie Kim Kashkashian.
Und natürlich viele „Freunde russischer Musik“ wie etwa Martha Argerich. Einer von ihnen, der Pianist Wassilij Lobanow, brachte den Geist des „Oleg-Kagan-Musikfests“ so auf den Punkt: „Man muss schon ein wenig Sinn für mystische Stimmungen besitzen. Wenn man materialistisch denkt, kann man das nicht verstehen. Die Seele von verstorbenen Leuten bleibt auf ganz natürliche Weise in uns.“ Er wusste, wovon er sprach, denn die Künstler traten über Jahre – so heißt es – unentgeltlich auf.
Breites Repertoire von Barock, Klassik und Romantik über Volksmusik bis zum Jazz
Vergangenes Jahr jedoch beschlossen die Organisatoren, dem Festival ein neues Image zu geben und die Zuspitzung auf Oleg Kagan, die teilweise Züge eines Kultes angenommen hatte, einzudämmen. Es gebe heute viele Menschen, die mit dem Namen Kagan nichts mehr verbänden, sagt Festival-Leiter Dieter Nonhoff – weshalb das Festival nun schlicht Internationales Musikfest Kreuth am Tegernsee heißt. „Wir wollen mehr Offenheit für andere Künstler zeigen“, bekräftigt Nonhoff sein Vorhaben. Zupass kommt ihm dabei, dass auch Natalia Gutman nach ihrem 70. Geburtstag ihren Rückzug erklärt hatte.
So präsentiert sich das Festival nun zum 25. Jubiläum mit einem sehr vielseitigen Programm und Musik ganz verschiedener Genres: von Barock, Klassik und Romantik über Volksmusik und Jazz bis hin zu Werken unserer Tage. Schuberts Winterreise ist ebenso zu hören wie Volksmusik aus dem Alpenland, Gershwins Porgy and Bess-Suite neben Gabrielis Canzon per sonar septimi toni, feurige Latinoklänge treffen auf Klavierkonzerte Beethovens, ein Streichquartett Kurtágs auf den Ruf vom Fellhorn des Schweizer Komponisten Hans-Jürgen Sommer.
Unter den Musikern finden sich Stars wie Mischa Maisky, seine Tochter Lily und Igor Levit, der Liedsänger Matthias Goerne oder das Münchener Kammerorchester. Aber auch: die Pongauer Geigenmusi und das Ensemble Rupertiblech, die Big Band des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern … und viele andere mehr.