Sie entstand in der Antike, die Idee einer allumfassenden, göttlich installierten Weltharmonie, deren sinnlich wahrnehmbares Pendant der Mensch in den Klängen der Musik vorfindet. Im Zeitalter des Barock war es der Astronom Johannes Kepler, der diese vom griechischen Mathematiker Pythagoras entwickelte Vorstellung in das neue heliozentrische Weltbild übertrug und mit seinem Hauptwerk „Harmonice mundi“ („Weltharmonik“) wieder populär machte. Die Universalität harmonischer Gesetze kündet von einer übergeordneten Kraft, die jegliche Musik miteinander verbindet, aus welchem Kulturkreis sie auch immer stammen mag. Dieser universale Geist ist es, dem sich auch das Alte-Musik-Ensemble l’arte del mondo verschrieben hat, wobei man gar nicht die Philosophie bemühen muss, um zu erkennen, wie historisch stimmig und künstlerisch ertragreich dieser programmatische Ansatz ist.
„Schon in der Barockzeit gab es eine Begeisterung für das Exotische und für den Orient, wie sie etwa in den Chinoiserien der Kunst zum Ausdruck kommt“, berichtet Werner Erhardt. Als Gründungmitglied von Concerto Köln war der Geiger und Dirigent zwanzig Jahre lang künstlerischer Leiter des Spezialensembles für Alte Musik, bevor er 2004 l’arte del mondo ins Leben rief, um „das Repertoire zu erweitern, auch mal Opern und Oratorien aufzuführen und mit kulturellen Begegnungen und Crossover-Projekten über den Tellerrand zu schauen.“
Erhellende musikalische Kontexte
So entstanden Programme wie „La Fête de Sérail“, die die Musik des alten christlichen Europas in kulturell-historisch erhellenden Kontexten betrachten. Dabei stellt l’arte del mondo Cannabichs titelgebender Ballettmusik und Mozarts Singspiel „Zaide“, die ein mythisch-märchenhaftes Bild des Harems entwerfen, Musik an die Seite, die damals wirklich im Serail gespielt wurde. Ein aufoktroyierter Kunstgriff, um Fiktion und Wirklichkeit einander gegenüberzustellen? Keineswegs! „Man weiß, dass osmanische Gesandtschaften an europäischen Höfen musiziert haben. Schon damals fand eine Begegnung statt. Wir bewegen uns im historischen Kontext, gehen aber kreativ damit um.“ Und das auch in Opernaufführungen von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ mit dem türkischen Pera Ensemble oder Glucks „Le cinesi“ mit der Peking-Oper sowie in Bachs „Matthäus-Passion“ mit der israelischen Kamea Dance Company. „Mit ,Carneval Oriental‘ sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und haben uns gefragt: Was wäre entstanden, wenn Musiker aus Ost und West damals zusammen musiziert hätten?“
Vergessenen Werken auf der Spur: l’arte del mondo
Es sind aber nicht nur diese interkulturellen Begegnungen und die in liebevoll gestalteter Barockkulisse aufgeführten Opern, die das 36-köpfige Ensemble, das als permanentes Residenzorchester im Erholungshaus Leverkusen – dem Kulturhaus der Bayer AG – ansässig ist, mit seiner Instrumentalkunst veredelt. Auch um die Wiederentdeckung vergessener Werke hat sich l’arte del mondo verdient gemacht. Komponistennamen wie Joseph Martin Kraus, Johann Franz Xaver Sterkel, Ernst Eichner oder Giovanni Paisiello wären hier zu nennen. Und ein nicht ganz unbekannter Dichter namens Johann Wolfgang von Goethe, der in jungen Jahren zusammen mit dem befreundeten Komponisten Philipp Christoph Kayser das Singspiel „Scherz, List und Rache“ geschrieben hat. Und wenn das Ensemble in Bayreuth im Rahmen des Programms „Sturmmusiken“ mit historischen Wind- und Donnermaschinen die Klangkulisse der Natur nachahmt, ist man ihr schon wieder dicht auf den Fersen: der alles umspannenden Weltharmonie.