Vergangen die Zeiten, als Alte Musik nur eine abgezirkelte Veranstaltung für ausgewählte Hörerkreise war: Heute erreichen diese Künstler breite Publikumsschichten. Nicht zuletzt dank der Berliner Lautten Compagney: Hat sich das Ensemble doch mit zahlreichen Ausgrabungen und Wiederentdeckungen einen Namen gemacht – sei es nun mit der Tanztheaterproduktion Amore doppio auf Musik von Giovanni Battista Bononcini oder auch dem Aufführungsmarathon von vier Passionen Carl Philip Emmanuel Bachs an einem einzigen Tag.
Markenzeichen der Formation sind seine überraschenden Formate, gerne auch über die Genregrenzen hinweg: So geht es mit dem Sheng-Virtuosen Wu Wei und der Schauspielerin Eva Mattes auf die Spuren Marco Polos, entstand mit Mailänder Marionettenspielern eine zauberhafte Puppentheaterproduktion von Händels Kreuzritter-Oper Rinaldo, wurde mit Tänzern der Compagnie von Sasha Waltz bei Il Pianto d’Orfeo der Bereich des modernen Tanzes beschritten – und der jüngste Streich Sommernachtstraum! mit Dominique Horwitz kommt nun als Shakespeare-Revue daher.
Solch erfrischende Ansätze sprechen selbst ein Publikum an, das bislang nichts mit Alter Musik am Hut hatte. Was Wolfgang Katschner immer wieder irritiert: „Ich finde es sehr schade, dass es im Musikleben teils immer noch merkwürdige Schwellen gibt“, sagt der Leiter und Mitbegründer der Lautten Compagney.
Eine Staatsanwältin auf der Spur von Don Quijote
Eben diese Grenzen zwischen den unterschiedlichen Zirkeln zu öffnen, ist eines seiner Anliegen. Premiere haben die Programme in der Regel jährlich beim Festival Aequinox im brandenburgischen Neuruppin, dessen Hauptakteure das Ensemble selbst stellt: „Aequinox mit dieser konzentrierten und für Neues offenen Festival-Atmosphäre ist für uns wie ein Klanglabor“, schwärmt Katschner. So gab es im März 2016 etwa ein Hörstück über Don Quijote mit spanischer Musik – und als Sprecherin war Mechthild Großmann zu erleben, die Staatsanwältin aus dem Münster-Tatort.
Angefangen hat die Erfolgsgeschichte des Ensembles 1984 als Lauten-Duo: Waren Katschner und sein Kollege Hans-Werner Apel doch schon während des Gitarrenstudiums an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ auf die Laute umgestiegen und hatten dabei den enormen Reichtum des Repertoires entdeckt, denn seit der Renaissance besaß die Laute den gleichen universellen Stellenwert wie später das Klavier. „Für uns war es vor allem die Möglichkeit, aus diesem Gitarren-Ghetto auszubrechen“, erinnert sich der Saiten-Mann. „Mit der Laute gab es viel mehr Chancen, mit anderen Instrumenten zusammenzuspielen, vor allem durch das Continuo-Spiel.“ Als die beiden dann Mitte der 90er Jahre die ersten Musiktheaterprojekte in Angriff nahmen, wuchs das Ensemble an – heute besteht die Lautten Compagney aus einer kompakten Besetzung von 15 Spielern, die sich für Operneinstudierungen auf bis zu zwei Dutzend Musiker ausdehnt.
In der Oberliga der Alte-Musik-Ensembles zeigt die Lautten Compagney eine unvergleichliche klangliche Signatur, vor allem durch ihr farbiges, lebhaftes Basso-Continuo-Fundament, dem die Ursprünge als Lauten-Duo anzumerken sind: „Lauten, Gitarre, Harfe und Orgel werden bei uns sehr differenziert in Klangmischungen eingesetzt. Wir sind deshalb nicht so oberstimmenbetont wie andere Ensembles“, erklärt Katschner. Dieser direkt ansprechende, energiegeladene Klangreichtum vermittelt sich auch auf zahlreichen Einspielungen – und ist zweifellos einer der Gründe für den langjährigen internationalen Erfolg der Lautten Compagney.