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Porträt Magdalena Hoffmann

Eine Harfe streichelt man nicht

Harfenistin Magdalena Hoffmann entkräftet klangvoll die Klischees, die noch immer ihrem Instrument anhaften.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Königin Marie Antoinette spielte sie, wie ein Gemälde von Jacques Fabien Gautier d’Agoty zeigt, das heute im Louvre hängt. Sie tat dies wohl mehr zum Divertissement in ihrem Cabinet in Versailles als zum Lobpreis Gottes, wie es all die goldenen Rauschengel tun, die man in der Kirchenkunst sieht.

Seit Jahrhunderten scheint das Instrument fast ausschließlich in weiblicher Hand, mal abgesehen vom biblischen König David oder Harpo von den Marx Brothers, der mit übergroßem Trenchcoat und einer Harfe umherzog. 94 Prozent der Harfen im Orchester werden von Frauen gespielt. Auch Magdalena Hoffmann, seit 2018 Solo-Harfenistin im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, wird an dieser Statistik nicht viel ändern. Selbst wenn sie ein Engel wäre, witzelt die attraktive Musikerin mit dem frechen Blick und der wilden blonde Mähne, bleibt die Frage: „Wie sollte ich denn meine Harfe auf die Wolke bringen? Die wiegt mindestens vierzig Kilo!“ Anfangs habe sie sich gegen das verkitschte Bild gewehrt, das viele mit Harfenmusik und besonders mit Harfenistinnen verbinden: „glänzende Haare, seliges Lächeln, goldenes Instrument“. Heute zieht sie es vor, den Menschen zu erklären, dass man kein ätherisches Wesen sei, das zart die Harfe streichelt, während das Zauberglissando durch den Raum schwebt. Ganz im Gegenteil: Athletisch müsse man regelrecht sein, nicht nur um das fast 1,80 Meter große Instrument von einem Ort zum anderen zu bringen, sondern auch: um es zu bewältigen. Allein die Kraft, die es in der Hand brauche, um die 47 Saiten in Bewegung zu bringen, die unter einer Zugspannung von 1,5 Tonnen stehen.

„Footnotes“ nannte sie ihr Debüt-Album, um auf einen weiteren Körperteil aufmerksam zu machen, den man bei Harfenisten eher selten sieht: die Füße. Sieben Fußpedale gilt es zu bedienen. Von der französischen Harfenistin und Komponistin Henriette Renié (1875-1956) ist der Satz überliefert: „Wenn Sie Ihren großen Zeh benutzen müssen, um einen guten Klang zu bekommen, tun Sie es!“ Renié pflegte im Übrigen auch jeden ihrer Schüler zu fragen: „Lieben Sie die Harfe?“

Mehr Repertoire, bitte!

Die kleine Magdalena aus Basel musste erst gar nicht gefragt werden. „Das will ich spielen!“, dachte sich um 1994 das vierjährige Mädchen, als es nach einem Konzert, das es mit seinen Eltern besucht hatte, zum ersten Mal eine Harfe auf der leeren Bühne sah. Die Eltern, beide musikliebende und ausübende Mediziner, blieben zunächst skeptisch, doch sie hatten nicht mit der Hartnäckigkeit ihrer Tochter gerechnet. An ihrem sechsten Geburtstag stand ein „bedecktes Objekt“ in der Ecke, etwas „unheimlich“, wie Magdalena es heute gerührt beschreibt. Eine kleine Harfe! „Gemietet“ zwar, doch die Überraschung war groß. Mit der finanziellen Unterstützung des Großvaters war dann Jahre später ein größeres Instrument möglich. Nach dem Abitur entschied sie sich, Musikerin zu werden, trotz ihrer zeichnerischen Begabung und einer großen Leidenschaft für das Theater. Ab 2007 studierte sie bei Fabiana Trani in Düsseldorf, lernte an der Royal Academy of Music in London bei Park Stickney die Jazzharfe kennen und schloss an der Münchner Musikhochschule bei Christina Bianchi ab. Ihr Durchbruch erfolgte 2016, als sie zwei Sonderpreise beim ARD-Musikwettbewerb in München gewann. Gerade hat sie einen Exklusivvertrag bei der Deutschen Grammophon unterzeichnet. Neben der Konzentration auf die eigene Laufbahn engagiert sie sich als Kulturbotschafterin für CASA HOGAR, das jungen Mädchen im kolumbianischen Chocó Unterkunft und Ausbildung bietet.

Von 1876 stammt das anonyme Zitat: „Die Harfe gibt jungen Damen die Möglichkeit, hübsche Hände, wohlgeformte Arme und ordentliche Füße zu zeigen“. Wenn sie dazu doch mehr Gelegenheiten hätten! Barock und Klassik geben an Repertoire nicht viel her, die Romantik schon eher, und dennoch ist oft sehr wenig zu spielen. Ihr kürzester Auftritt? Womöglich in der „Walküre“. Oder doch im „Maskenball“ und der „Symphonie fantastique“? Hochkonzentriert muss sie dennoch die ganze Zeit dasitzen, denn wird der Einsatz einmal verpasst, merkt es jeder.

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