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Porträt Mariame Clément und Julia Hansen

Ein Fall für zwei

Seit zwei Jahrzehnten arbeiten die Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hansen und die Regisseurin Mariame Clément eng zusammen.

vonPatrick Erb,

Was vor zwanzig Jahren startete, hat noch heute Bestand. Kennengelernt haben sich Julia Hansen und Mariame Clément 2003 bei der Verleihung des Europäischen Opernregiepreises. Den hatte Hansen zwei Jahr zuvor gewonnen, nun gab sie ihn an Clément weiter. Schnell wurde den beiden klar, dass sie mehr miteinander teilen als diese Auszeichnung, und so bildeten sie ein Duo: Mariame Clément als Regisseurin, Julia Hansen als Kostüm- und Bühnenbildnerin. „Ein tiefgehenden Blick auf das Werk, das Neuentdecken und Herausarbeiten von Details und einen aktuellen Zugang finden, ohne das Werk zu dekonstruieren“: So beschreibt Julia Hansen ihre wichtigsten Gemeinsamkeiten. Außedem: „Die Liebe am Geschichten erzählen“. 2004 kam dann in Lausanne ihr erstes gemeinsames Projekt auf die Bühne, ein Doppelabend mit Rossinis „Il signor Bruschino“ und Puccinis „Gianni Schicchi“.

Gearbeitet wird immer auf Augenhöhe, entsprechend tiefgreifend ist auch der Schaffensprozess. Brainstorming, das Skizzieren eines Regiekonzepts, erste Bühnen- und Kostümentwürfe: Das Duo Clément-Hansen investiert viel Zeit in die Vorbereitung und ist in ständigem Austausch. Der Austausch ist der wesentliche Bestandteil am „gemeinschaftlichen Entwickeln des Konzeptes“, wie Hansen sagt. „Wir wollen eine Geschichte erzählen, die mit dem Zuschauenden noch etwas zu tun hat. Es geht dabei nicht um zwanghafte Modernisierungen – Eine Inszenierung kann modern sein, auch mit historischen Kostümen. Aber die Essenz des Stücks muss klar erkenntlich sein. Und schließlich legen Mariame und ich viel Wert auf die Charaktere, das Menschliche in ihnen.“ Das aktuelle Projekt ist die Inszenierung von Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ bei den Salzburger Festspielen. Das Bühnenbild ist ein Mauerwerk, das sich öffnet und an dem der titelgebende Held sein Leben Revue passieren lässt. Dadurch lernen wir Hoffmann als Menschen kennen, er bleibt nicht nur eine Kunstfigur.

Von Tragisch bis Komisch, von Barock bis Modern

Das Duo mag es, das Publikum zu fordern. Dafür suchen beide immer wieder Mittel, neue Ebenen in der Geschichte aufzudecken, sie noch zugänglicher zu machen und eine andere Sichtweise auf das Stück einzunehmen. Durch Ergänzungen oder Zuschnitte, nicht aber durch das Umdeuten oder dekonstruieren. Inszenierungen wie Humperdincks „Hänsel und Gretel“ an der Opéra national de Paris verdeutlichen das. Angesiedelt um das Jahr 1900, geht es in der Pariser Inszenierung um Fantasie und die Ängste von Kindern.

Tragische und komische Stoffe inszeniert das Duo gleichermaßen gern. Allerdings benötigen Tragödien für die beiden immer auch eine Fallhöhe, eine Leichtigkeit, in der das Tragische überhaupt wirken könne. Eine besondere Vorliebe haben Clément und Hansen für die Barockoper entwickelt, da sie größere inszenatorische Freiräume zulässt: Sie ist nicht durchkomponiert, einzelne Elemente kann bearbeitet oder austauscht, gestaltet werden, der Rahmen ist offener und die Sängerinnen und Sänger haben mehr Möglichkeiten der stimmlichen Ausgestaltung.

Werke neu entdecken

Ohne Kontroverse kommt das französisch-deutsche Duo nicht aus, wie dessen „Lustige Witwe“ an der Volksoper Wien zuletzt zeigte. Franz Léhars Operette, in Wien ein nachgerade sakrosanktes Kunstwerk, ist in der Inszenierung von Clément und Hansen eine Geschichte des Älterwerdens – ernster erzählt, aber durchaus mit Humor. Das Konzept lässt allerdings den besonders für die österreichische Operette beliebten derben bis platten Humor aus, baut eher auf Leichtigkeit und hinterfragt das Männer- und Frauenbild.

Unter den vielen Projekten, die Clément und Hansen über zwanzig Jahre hinweg erarbeitet haben, sticht auch Henry Purcells Semi-Opera „Fairy Queen“ heraus, in der sich allegorische Elemente mit Handlungselementen von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ vereinen. Wenige Rollen sind vom Komponisten personalisiert, in den Maskenspielen bleiben die Figuren vollends anonym. Es gibt dank der einzelnen Musiknummern unzählige Gestaltungsmöglichkeiten, um die Liebe, das Magische oder etwas anderes zu betonen – „ein Stück“, so Hansen, „bei dem viel gemeinsame Planung und das Entwickeln einer Geschichte nötig ist und in dem wir wie in keinem anderen zusammenarbeiten konnten“.

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