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Porträt Maxim Vengerov

Star und Student

Maxim Vengerov packte das Glück stets am Schopf – auch dann, wenn die Chancen im Leben rar gesät waren

vonMaximilian Theiss,

Lernen und Lehren. Für Maxim Vengerov gehört das untrennbar zusammen. „Wann immer ich etwas lerne, will ich die Erkenntnis sofort teilen“, führt der Dirigierstudent und Violinprofessor an der hehren Royal Academy of Music in London aus. Da mag es gar nicht so recht ins Bild passen, wenn er davon spricht, dass er vom Bildungssystem des Sowjetregimes profitierte, bereits als Teenager ein „ausgereifter Künstler“ war und mit dreizehn Jahren eine Recital- Tour durch Japan machte.

Noch bevor man ihm allerdings Hochmut unterstellen möchte, schiebt er gleich hinterher: „In den Achtziger- und Neunzigerjahren hatte ich das große Glück, von beiden Welten die jeweils besten Seiten kennenzulernen.“ Die zweite Welt, das war freilich diejenige auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Der war soeben gefallen, als er mit vierzehn Jahren zusammen mit der Klasse des legendären Violinprofessors Zakhar Bron von seiner Heimatstadt Nowosibirsk in Zentralrussland an die Musikhochschule Lübeck wechselte.

Für den jungen Maxim war die schöne neue Welt alles andere als bedrohlich: „Als Kind macht es keinen Unterschied, ob du nach Europa oder nach Afrika gehst – so oder so saugst du die Kultur mit Freude und Neugier in dich auf. Die Zeit in Deutschland war wundervoll, auch als ich zurückkam, um an der Saarbrücker Musikhochschule zu unterrichten.“ Seine erste Masterclass gab der passionierte Schüler und Lehrer übrigens mit 17 Jahren in Los Angeles.

Verhängnisvolle Verletzung

Natürlich hat ihm das Schicksal auch Steine in den Weg gelegt. Der größte zu bewältigende Brocken war sicherlich eine Verletzung am rechten Arm, mit dem Geiger ihren Bogen führen. Das Zittern verschwand einfach nicht, und so stand seine Musikerkarriere auf dem Spiel. Das war 2007, als Vengerov von Publikum und Kritik nachgerade angehimmelt wurde und die großen Orchester darum wetteiferten, ihn als Solisten zu gewinnen. Auch wenn er in dieser Situation seine „Ex Kreutzer“-Stradivari weglegen musste: Das Podium betrat er fortan als Dirigent. „Ich bin Musiker, und so besehen war der Unterschied gar nicht mal so groß: Wenn ich Violine spiele, liegt die Musik in meinen Fingerspitzen, wenn ich vor einem Orchester stehe, dann mache ich Musik mit meinen Gesten und das Orchester ist mein Instrument.“

Eine zweite Karriere

Maxim Vengerov
Maxim Vengerov © Benjamin Ealovega

Drei Jahre später nahm Vengerov seine „Kreutzer“ wieder in die Hand und gab sein erstes Konzert als Violinist. Die Kritiken waren damals zurückhaltend, doch mit der Zeit fanden der Geiger und sein rechter Arm zurück zu alter Stärke. „Viele Leute sagen mir, dass ich durch das Dirigieren ganz anders Violine spiele. Das liegt auch daran, dass ich mir nicht mehr nur den Violinpart, sondern gleich die gesamte Partitur erarbeite.“

Außerdem kann er nun manche Werke gleich von zwei Seiten her interpretieren, etwa Brahms’ Violinkonzert – für Vengerov ein Schlüsselwerk: „Mit 23 Jahren spielte ich es zusammen mit Daniel Barenboim, der wie Rostropowitsch Dirigent und Mentor in einem für mich war. Ich selbst wiederum gab jüngst eine Masterclass an der Royal Academy mit Brahms. Bei manchen Komponisten reicht es nicht, nur ein guter Geiger zu sein – das gilt nicht nur für Brahms, sondern auch für Britten und Beethoven, sogar für Mozart gilt es.“

Natürlich kommt das Dirigieren auch seinem kommunikativen Naturell zupass, denn Vengerov tauscht sich für sein Leben gern aus. „Das Violinspiel selbst ist eine einsame Profession“ – diesen Satz flicht er immer wieder in seine Ausführungen ein. Bei Vengerov sind derartige Phrasen jedoch alles andere als hohl. Eine Konstante in seiner Karriere ist, sich nie zu schade dafür zu sein, etwas zu lernen. „Ich werde mein ganzes Leben lang Schüler bleiben“, erklärt er. Ein Geiger von Weltrang nimmt Dirigierunterricht …

Ende des Jahres steht übrigens in Oslo sein Debüt als Operndirigent an. Ach ja, und 2018 nimmt er Gesangsunterricht, schließlich möchte er auch die italienische Oper kennenlernen. „Musik ist eine Reise“ beschließt Vengerov das Interview. Noch so eine Floskel. Doch aus seinem Mund klingt sie glaubwürdig.

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