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Porträt Nicholas Palmquist

Die körperliche Präsenz der Klänge

Der Tänzer, Choreograf und Lehrer Nicholas Palmquist hat seine Erfahrungen in der Tanzszene New Yorks gesammelt. Musik ist der treibende Motor seines Schaffens.

vonEcki Ramón Weber,

Die klaren, behenden Bewegungen, die feinen Nuancen, sensibel auf den Punkt des Akzents, im Sog des Rhythmus – verblüffend! Die Energie der musikalischen Gesten, das Dynamische des Klangs, all das wird hier unmittelbar übersetzt in Tanz – der Körper als Visualisierung der Musik, etwa im kurzen Solo „Burnout Fugue“: Wenn Nicholas Palmquist zu den atmosphärisch fließenden, sanft energetisch geladenen Klavierklängen der von Minimal Music beeinflussten Komponistin und Pianistin Alexandra Stréliski tanzt, dann wirken Füße, Beine, der ganze Körper wie Pianistenfinger auf den Tasten. Ob Pop, Rock, Broadway-Sound oder Klassik: Immer geht es Nicholas Palmquist um das, was er als „Personifizierung des Klangs“ bezeichnet. Sein Ziel: „Selbst wenn die Musik nicht zu hören wäre, sollte man einen Eindruck gewinnen, welchen Charakter und welche emotionale Ausrichtung sie hat“, betont er.

Diese körperliche Verbindung mit Klängen hat ihre Urspünge in Palmquists Kindheit und Jugend in Missouri, wo er 1990 geboren wurde: „Alle meine Brüder spielten Instrumente: Saxofon, Horn, Klavier, Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass. Ich wuchs mit meinen musizierenden Brüdern auf und beobachtete, wie sie die Musik machten. Zum Beispiel wie die Muskeln ihres Rückens sichtbar wurden, wenn sie Gitarre spielten, oder die Bewegungen am Klavier“, erklärt er. „Das hatte bei mir den Effekt, dass ich Musik unwillkürlich ,sehe‘.“

Nicholas Palmquist entwickelte eine individuelle, sinnliche Mischung

Palmquist tanzt seit seinem zehnten Lebensjahr. Über die ältere Schwester, die Tanz an der Highschool belegt, kommt er zum ersten Mal damit in Berührung. Er besucht zunächst Hiphop- und Jazzdance-Klassen. Seine Mutter reist mit ihm zu Shows in New York und Los Angeles, um seinen Horizont zu erweitern. Nach dem Abschluss in Tanz und Tanzpädagogik an der Oklahoma City University zieht es Palmquist schließlich nach New York. Hier kann er an der Talentschmiede Broadway Dance Lab neue Tanzformen ausprobieren. Im Joyce Theater in Chelsea tritt er mit „American Dance Machine for the 21st Century“ auf. Die Compagnie hat sich auf die Neuinterpretation berühmter Broadway-Choreografien spezialisiert, von „West Side Story“ bis „Chorus Line“.

Ayaha Tsunaki in „A Collection of Short Stories“ von Nicholas Palmquist
Ayaha Tsunaki in „A Collection of Short Stories“ von Nicholas Palmquist

Palmquist arbeitet zudem mit der Revuetanzgruppe „The Radio City Rockettes“ und der Choreografin Mia Michaels zusammen. Er tanzt bei Präsentationen und Events der Modebranche und wirkt in Baz Luhrmanns Netflix-Musical-Serie „The Get Down“ mit, gastiert in TV-Shows und bei der Verleihung der Tony Awards. Aus all seinen Erfahrungen entwickelt er eine individuelle, sinnliche Mischung aus Jazz-Dance, Broadway, Modern Dance, Ballett und Popkultur. Neben dem Tanzen und Choreografieren hat er sich zudem in den letzten Jahren einen Ruf als inspirierender Lehrer erarbeitet.

Körper und Musik bilden eine organische Einheit

Vergangenen November hat Nicholas Palmquist erstmals einen Workshop in Deutschland angeboten, als Gastdozent im vielfältigen Education-Programm des Staatsballetts Berlin. Ausgewählt hat er dafür die „Morgenstimmung aus „Peer Gynt von Edvard Grieg und die Mitwirkenden dazu eingeladen, mit dem Körper ihre Eindrücke und Emotionen bei dieser Musik einzubringen. Hier ist sie wieder, diese enge Verbindung zwischen Musik und tänzerischem Ausdruck. Einen Transatlantikflug musste Palmquist für dieses Engagement übrigens nicht buchen: Im August 2020 ist er nach Deutschland gezogen. Er lebt mit seinem Ehemann Marcelo Gomes nun in Dresden, wo Gomes, lange Jahre Solist im American Ballet Theatre in New York, neuer Ballettmeister und Erster Solist im Semperoper Ballett ist.

Im September konnte sich Nicholas Palmquist in Dresden bereits als Choreograf einführen: Mit einer Uraufführung bei der Ballettgala „Semper Essenz: We will dance!“: Sein kurzes Stück „These Arms“ für drei Tänzer hat er auf eine Live-Aufnahme des Songs „These Arms of Mine“ der Soul-Legende Otis Redding gestaltet, noch expressiver als die Studioversion. Die Choreografie erzählt von Begegnung und Verlust. Und erneut entsteht hier dieser Eindruck, dass die tanzenden Körper und die Musik eine organische Einheit bilden. Man darf gespannt sein auf die weiteren Projekte des „New Boy“ in der hiesigen Tanzszene.

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