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Porträt Nikolai Demidenko

Der aus der Kälte kam

Der Pianist Nikolai Demidenko repräsentiert die russische Schule im besten Sinne – und das am Liebsten unter der spanischen Sonne

vonRobert Fraunholzer,

Auf alten Fotos blickt der Mann missmutig. In Erz gegossen. Geradezu bedrohlich. Auf neueren … lacht er! Was ist da passiert? „Ganz einfach: ‚Stillhalten!‘ haben die Fotografen in der Sowjetunion immer geschrien – und wollten fertig werden.“ Heute dagegen, sagt Nikolai Demidenko, würden in Windeseile 150 Aufnahmen geknipst, „so dass man von selber lachen muss“.

Ein echter Chopin-Spieler – der doch keiner sein will

Demidenko ist der Pianist, der aus sowjetischer Eiskälte kam – und nun in Spanien lebt. In Deutschland indes ist er, trotz vieler CDs, nahezu unbekannt, da sein Münchner Agent ihm vor Jahren abhanden kam. „Was soll ich machen?“, fragt er. „Zur Moral ausübender Musiker gehört es, nicht von selbst Anzeigen aufzugeben oder irgendwo anzurufen.“ Man müsse eben warten, bis man gefragt werde. Dass sein Gastspiel beim Berliner Klavier-Festival da wie sein Berlin-Debüt aussieht, spricht für die Findigkeit des Veranstalters Barnaby Weiler – und dafür, wie zementiert und auf die immer selben Namen eingeschossen der hiesige Markt ist.

Dabei könnte man Demidenko einen echten „Chopin-Spieler“ nennen – so wie einst Rubinstein oder Samson François. „Nein, nein!“, wehrt sich der Ehrendoktor der englischen Universität Surry. „Wenn ich gut – und gerne – Chopin spiele, so liegt das daran, dass ich eben nicht nur ihn spiele.“ Denn Chopin sei keineswegs ein Romantiker gewesen, sondern habe sich als Bach- und Mozart-Nachfolger gesehen. Das Schwerste seien die Mazurken – weil man sie „vom Pleyel-Flügel her denken muss, für den Chopin sie geschrieben hat“. Auf Klavieren dieser französischen Marke, die mehr „singen“, würden die Mazurken „ganz leicht“ gehen, diese Instrumente „hatten eine ganz eigene, menschliche Stimme“. Und diese Stimme gelte es zu imitieren und auf anderen Instrumenten wiederzufinden.

Womit klar ist: Demidenko gehört zu den wenigen Russen, die sich für historische Klaviere engagieren. „Es ist ein privates Interesse von mir“, räumt er ein. „Ein ähnliches Hobby wie das, an Elektrogeräten herumzubasteln: Ich habe eine eigene Werkstatt, in der ich auch Lautsprecher gebaut habe.“ Ja, er könne sogar ein Klavier stimmen: „Ich möchte immer gerne wissen, wie die Dinge technisch funktionieren.“

In seinem Haus in Spanien übt er morgens um vier Uhr Klavier

Geboren 1955 im 40 Kilometer von Moskau entfernten Aniskino, studierte er bei Anna Kantor – der Lehrerin (und treuen Begleiterin) von Evgeny Kissin. Und bei Dimitri Bashkirov, dem Schwiegervater von Daniel Barenboim (und Lehrer von Arcadi Volodos). „Ein explosiver Herr, mit dem ich bis heute regelmäßig in Kontakt bin. Bashkirovs Einfluss auf mich geht über alles: Denn er lehrt die Freiheit!“ Und einmal bei der Betrachtung des eigenen Werdegangs fügt Demidenko noch an: „Ich bin alte Schule – und ich bin russische Schule. Aber ziehen Sie daraus keine übertriebenen Schlüsse!“ Sei doch einer der einflussreichsten Inspiratoren der russischen Schule ein Ire gewesen: John Field. „Und Heinrich Neuhaus, ein weiterer wichtiger Lehrer der Russen, orientierte sich an deutscher Geistesgeschichte und Philosophie.“ Lieben wir Deutschen deswegen die russischen Pianisten so sehr? „Vielleicht! Außerdem waren die russischen Virtuosen sämtlich Bürgerliche: Die Aristokraten nahmen zwar Unterricht, durften sich aber für Auftritte nicht bezahlen lassen.“

Demidenko selbst lebt schon seit Jahren im Westen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau sei er in ein Dorf in Spanien gezogen, weil ihm nur dort kein Nachbar ärgerlich aufs Dach steige, wenn er um vier Uhr morgens am Klavier sitze … „Ehrlicherweise muss ich sagen, dass eine entsprechende Wohnung in Deutschland fast unerschwinglich wäre“, fügt er noch hinzu. Und lacht.

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