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Spielstätten-Porträt Mendelssohn-Haus

Noch mehr Felix in Leipzig

Das Mendelssohn-Haus eröffnet einen zweiten Ausstellungsteil und hat dem alten Museum ein Facelift verpasst

vonChristiane Schwerdtfeger,

Die Dielen knarren, steil geht es hinauf zur ersten Etage und durch einen schmalen Gang noch einmal um die Ecke – dann tut sich eine repräsentative Wohnung auf: Von einem langen Korridor zweigt eine Vielzahl von Räumen ab, Erinnerungssequenzen und Bilder an den Wänden vermitteln Atmosphäre. Hoch und schwer sind die Türen mit den Messingklinken, und dahinter warten Geschichten: Sie erzählen vom Leben und von der Musik Felix Mendelssohn Bartholdys, der hier seit 1845 mit seiner Familie lebte, komponierte, musizierte und schließlich am 4. November 1847 auch hier starb. Zentrum dieser Räume ist der Musiksalon der Familie. In deren Tradition veranstaltet die Mendelssohn-Stiftung seit 17 Jahren jeden Sonntag Matineen; dazu kommen eine Vielzahl von Sonderveranstaltungen und Kinder-, Garten- sowie Gedenkkonzerte. Meist steht bekanntes und unbekannteres romantisches Repertoire auf dem Programm, bisweilen auch Barockmusik oder Moderne. Eindrucksvoll: Als Konzertgast sitzt man in dem kleinen Salon besonders nah am Geschehen.

Mendelssohns Welt: wie er lebte, wo er dirigerte

Seit das Museum im Mendelssohn-Haus 1997 öffnete, kamen mehr und mehr Touristen hierher in die Beletage der Leipziger Goldschmidtstraße 12, zuletzt rund 40.000 im Jahr. Sie sahen das exakt rekonstruierte Arbeitszimmer Mendelssohns, das Speise- und das Wohnzimmer und seit 2009 auch ein filigranes Modell des Alten Gewandhauses der Messestadt, wo der Komponist ab 1835 als Kapellmeister dirigierte; Gemälde, Reproduktionen, Erstdrucke und Infotafeln gaben Auskunft zum Leben des Allround-Talents Mendelssohn und zur Leipziger Musikgeschichte. Doch das reicht nicht mehr: Wer Notenmanuskripte und Briefe nur betrachten kann, muss sich Klänge und vor allem kulturelle Kontexte selbst vorstellen. Eine interaktive Ausstellung hingegen schafft länger haftende Eindrücke beim Publikum, baut Berührungsängste ab, räumt Verständnisprobleme aus. Zudem war die Eingangssituation den Besucherströmen nicht mehr gewachsen – Authentizität hin oder her. 

Wenn der Besucher selbst den Taktstock heben kann

An Mendelssohns 205. Geburtstag am 3. Februar wird deshalb einiges anders. Rund 300 Quadratmeter Museumsfläche sowie Bereiche für Museumspädagogik und Sonderausstellungen werden eröffnet. Im Erdgeschoss des Hauses ist ein großzügiger Einlass samt Shop und Verschnaufzone entstanden. Dahinter öffnet sich in neuen Räumen die Idee der Mendelssohn-Stiftung von „ihrem“ Komponisten im 21. Jahrhundert: Eine „Paternoster-Vitrine“ soll es geben, in der Autographe und Aquarelle Mendelssohns vor den Augen der Gäste rotieren, das Mendelssohn-Denkmal – 1936 in Leipzig von den Nationalsozialisten geschleift, 2008 auf Initiative der Mendelssohn-Stiftung neben der Thomaskirche neu errichtet – wird als 3-D-Laserprojektion installiert, und in einer digitalen Musikbibliothek kann Mendelssohns Gesamtwerk individuell durchforstet und angehört werden. 

Mittelpunkt des neuen Museumsteils ist das sogenannte Effektorium, wo sich jeder Gast künftig als Dirigent versuchen kann. 16 LED-Panels mit Lautsprecherköpfen stehen hier einem Notenpult gegenüber –  und nach Wahl aus je zwei Chor- und Orchesterstücken Mendelssohns geht es los: Tempo, Lautstärken und Balance lassen sich von den Museumsbesuchern selbst bestimmen. Eingespielt hat die Musik der Leipziger Universitätsmusikdirektor David Timm mit seinem Mendelssohnorchester sowie mit dem Universitätschor.

Eine Etage höher bietet die Mendelssohn-Wohnung weiterhin das historische Pendant: Hier wurde behutsam umgestaltet, indem tiefergehende Erläuterungen jetzt in nachgebauten Biedermeiermöbeln untergebracht sind. Nach wie vor geht es hier darum, die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts erlebbar zu machen. Rund 1,5 Millionen Euro kostet die Umgestaltung: Der Bund steuerte die Hälfte bei, die Stadt Leipzig ein Drittel, den Rest die Mendelssohn-Stiftung. Es ist ein großer Sprung für das Haus, das einst schon fast dem Verfall preisgegeben war und das seinen Erfolg einer wohldosierten Mischung aus Engagement, Prominenz, Historie und Authentizität verdankt. Die knarrenden Dielen auf dem Weg nach oben gehören deshalb nach wie vor zum Konzept. Und natürlich die Sonntagsmatineen. 

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