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Porträt Okka von der Damerau

Heute Sopran oder Alt?

Die Hamburger Opernsängerin Okka von der Damerau zeigt Profil und Mut.

vonStefan Schickhaus,

„Die Dame und ich sprechen verschiedene Sprachen“, singt Zerbinetta in Richard Strauss’ „Ariad­ne auf Naxos“, sie bezieht sich damit auf die Titelheldin. Im Ariadne-Kostüm der Bayerischen Staatsoper steckte kürzlich Okka von der Damerau, und wenn man zum ersten Mal Kontakt aufnimmt mit ihr, fragt man sich auch selbst davor: Spricht man die gleiche Sprache? Der Name könnte auch aus Belgien oder Holland stammen. Der Vorname ist ostfriesisch, erklärt die gebürtige Hamburgerin, der Nachname steht für westpreußischen Ritteradel, „sehr alt, aber gut verarmt“. Okka von der Damerau spricht gerne über Namen, findet sie immer interessant. „Ich mag meinen Vornamen mindestens so gerne wie meinen Nachnamen. Die Ostfriesen erkennen mich daran, da werde ich schon mal zum Tee eingeladen.“ Immerhin: Das „von“ im Nachnamen verhindert die Verwechslungsgefahr zur Kollegin Diana Damrau. Oder? „Glauben Sie das nicht!“ Als sie bei der Bayerischen Staatsoper anrief wegen einer Vertragsangelegenheit und sich mit „Damerau“ meldete, war die Dame am anderen Ende ganz aufgeregt – und ­Okka von der Damerau begriff irgendwann, dass es gar nicht um sie ging. Ist aber nicht schlimm, die beiden Opernsängerinnen mit dem ähnlichen Namen mögen sich – „wir haben beide so eine bodenständige Art“.

In München an der Staatsoper war Okka von der Damerau gut zehn Jahre lang Ensemblemitglied und erklärter Publikumsliebling. Verlassen hat sie das Haus im Jahr 2021, einem ­Corona-Jahr. Andere hätten in dieser Zeit alles dafür gegeben, einen festen Ensemblevertrag zu haben. „Wie das immer so ist: Man entscheidet so etwas ja deutlich früher, in diesem Fall noch vor Corona. Die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen, weil ich in München so gerne dazugehört habe, ein tolles Haus, ein fantastisches Publikum. Aber man muss einfach die Gelegenheiten ergreifen, die der Markt so bietet. Die Angebote waren so gut, es war einfach an der Zeit. Da gab es, Corona hin oder her, kein Zurück mehr. Ich bin ja die Hauptverdienerin, zwei Kinder und ein Mann in München – das sollte besser nicht schiefgehen.“

Endlich angekommen?

Wird auch mal mit Diana Damrau verwechselt: Okka von der Damerau
Wird auch mal mit Diana Damrau verwechselt: Okka von der Damerau

Okka von der Damerau, die Sängerin mit dem sonoren Mezzosopran und der Vergangenheit als ausgebildete Hörgeräteakustikerin, ist eine feste Größe im dramatischen Fach. Sie ist bei Strauss und Wagner zuhause, singt in Bayreuth aktuell die Erda, ist auch eine gefragte Liedsängerin etwa für Mahler und Brahms. Doch titelte im März der Münchner Merkur: „Endlich angekommen: Okka von der Damerau als Ariadne an der Bayerischen Staatsoper“. Nun ist die Ariadne eine waschechte Sopranpartie. „Andreas Schager fragt mich jetzt immer, wenn wir uns sehen: bist du heute Sopran oder Alt? Ich sage dann: alter Sopran. Darum geht es mir aber nicht. Mein Wunsch ging immer in Richtung Entwicklung, Vielseitigkeit und Freiheit. Die Höhe hatte ich immer, und es hat mich genervt, dass ich sie meist nicht nutzen konnte.“ Sie neigte, sagt sie, früher zum Verstecken ihres Stimmmaterials – „nicht zu sehr herausstechen, lieber im Team sein“ –, und sie bot als Alt und Mezzo eben auch die Qualitäten, die gesucht waren an allen Opernhäusern: Eine tiefe, tragfähige Stimme, die sich in ein Ensemble einfügt.

Verstecken ist nicht mehr. „Ja, ich denke, ich bin wohl mutig, ich nehme mir das jedenfalls vor“, sagt Okka von der Damerau. Mut zeigen, ein Profil haben, seine Meinung sagen: Auf und neben der Opernbühne seien das gleichermaßen wichtige Themen. „Geht man nur möglichst reibungsfrei durchs Leben oder will man kämpfen für Dinge, Ansichten und Menschen, die einem wichtig sind – und das meine ich ganz ohne Klassensprecher-Syndrom.“ Dabei sei sie aber ebenso ihre größte Kritikerin: „Auch wenn ich nicht immer so wirke, Kraft und Zweifel, ich kenne beides. Es war ein langer Weg dorthin, zu sagen: Ich bin alt genug und Frau genug, ich weiß, was ich kann und möchte das machen.“ Ja, sie ist angekommen bei sich, die große Sängerin, die bei ihrer ersten Aufnahmeprüfung noch gefragt wurde, „können Sie nicht was anderes machen?“

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