Unbändige Neugierde treibt sie an, den Blick über den Tellerrand zu wagen – nicht nur jenen des rein Pianistischen, auch des Musikalischen an sich. Wenn Olena Kushpler über künstlerische Tiefe sinniert, kommt sie schnell auf Evgeni Koroliov zu sprechen und dabei gleich ins Schwärmen: „Meine Liebe zur Malerei habe ich ihm ebenso zu verdanken wie Empfehlungen, bestimmte Bücher zu lesen. Koroliov gab mir zu verstehen, wir müssten eigentlich mehr miteinander reden als Klavier zu spielen.“ Die Horizonte, die ihr der Professor während ihres Studiums an der Hamburger Musikhochschule aufzeigte, sind es auch gewesen, die sie bis heute an jedem neuen Tag ihres künstlerischen Daseins beflügeln. „Ich will kein risikofreies Leben.“ So lotet die vor Kreativität sprudelnde Musikerin das Spannungsfeld von Musik und Literatur gern in neuen Konzertformaten mit Kollegen des gesprochenen Wortes aus, Iris Berben und Roger Willemsen gehörten bereits dazu. Als besonders beglückend empfindet Olena Kushpler immer wieder die Begegnungen mit anderen Künstlern und Sparten, die sie sogar in ihrem eigenen Festival „Kontraste“ bereits erfolgreich erprobt hat: Ihr Ideenreichtum und Idealismus wurden belohnt.
Das vielseitige Forschen nach Vernetzung und gegenseitiger Bereicherung geht freilich weiter. Da ist ihr Lied-Duo, das sie gemeinsam mit ihrer an der Wiener Staatsoper engagierten Schwester Zoryana, einer gefragten Mezzosopranistin, bildet und das auch auf einer wunderbaren CD-Aufnahme russischer Romanzen zu bestaunen ist. Und da ist das Bonnard Trio, mit dem sie die beiden Klaviertrios von Mendelssohn eingespielt hat und mit dem sie auf verschiedenen Festivals große Erfolge feierte. Für ihre kammermusikalische Arbeit hat ihr zumal das Coaching durch die Mitglieder des legendären Alban Berg Quartetts sehr geholfen: Sie haben uns diese „Freiheit des Kunstverständnisses und diese Bestätigung, der eigenen Intuition zu folgen“ weitergegeben.
Keineswegs zu kurz kommt in Kushplers Künstlerleben natürlich das eigentliche Klavierspielen, das jedoch seinerseits von ihren anderen Aktivitäten, besonders der Beschäftigung mit Literatur und Malerei, enorm profitiert. Wie sehr, ist auf ihrer Solo-CD mit der impressionistisch angehauchten, feinnervig konzentrierten Musik des Katalanen Federico Mompou zu hören, den kurz nach Olena Kushpler nun auch Arcadi Volodos eine eigene Einspielung gewidmet hat. Den außerhalb der iberischen Halbinsel also zunehmend wiederentdeckten, 1987 hochbetagt verstorbenen Komponisten aus Barcelona wird sie bei ihrem Recital im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Kiel neben Debussy, Ravel und Schumann spielen.
Ein Kritiker nannte Kushpler „eine große Erzählerin“. Eben das sei ihr Ideal: Durch die Suche nach feinsten Farben, dynamischen Schattierungen und dem besonderen Klang eines jeden Stils den Menschen Geschichten zu erzählen, die durch Worte allein nie zu vermitteln wären.