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Porträt Olena Kushpler

„Ich liebe das Mehrdeutige“

Klavierspielen bedeutet für Olena Kushpler sprechen, singen, erzählen. Und das tut sie am liebsten im kammermusikalischen Format.

vonSören Ingwersen,

Wenn Olena Kushpler mit ihren unbändigen Locken vor einem sitzt und erzählt, dass ihr Leben immer wieder spannende Wendungen genommen hat, glaubt man ihr sofort. Merkt man doch gleich, wie sehr sie mit ihrem neugierigen Blick den Moment in sich aufnimmt und mit ihrer leidenschaftlichen und zugleich besonnenen Art die Dinge um sich herum reflektiert. So hat sich die aus Lemberg in der Ukraine stammende Pianistin schon immer für viele verschiedene Dinge interessiert, vor allem auch für die Malerei und Literatur: „Mit vierzehn habe ich auch über Journalismus nachgedacht und später für Zeitungen geschrieben. Aber das Wichtigste war und blieb immer die Musik.“

Mit ihr in Berührung kam Kushpler schon in frühesten Kinderjahren durch ihre Eltern – beides professionelle Musiker. Nach ihrem Studium in Lemberg und Hamburg erhielt sie ihren letzten musikalischen Feinschliff bei Evgeni Koroliov: „Diese Zeit war sehr prägend – diese Ernsthaftigkeit beim Musizieren, sich dabei ständig zu hinterfragen und nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.“

Sucht die Freiheit in der Musik: Olena Kushpler

Anstelle eines extrovertierten Virtuosentums kultiviert Kushpler die sprechende Geste, den farbigen Klang, die dynamische Schattierung – wie auf ihrem ersten Solo-Album mit Werken des Katalanen Frederic Mompou, der mit seinen impressionistischen Miniaturen dem Schweigen eine Stimme verlieh. Überhaupt: der Impressionismus! Er bringt die Pianistin regelrecht ins Schwärmen: „Das ist absolut meine Welt – in der Malerei wie in der Musik. Ich liebe diese Poesie, das Verschwommene, Mehrdeutige, Farbige, Märchenhafte, Fantasieanregende. Nach dem post-impressionistischen Maler Pierre Bonnard hat Kushpler auch ihr Bonnard Trio benannt, mit dem sie internationale Preise gewann und die Mendelssohn-Klaviertrios einspielte, kurz nachdem sie mit ihrem Ensemble in Köln ein Kammermusikstudium absolvierte. Viel hat sie dabei vom Alban Berg Quartett gelernt, vor allem, dass in der Musik zuallererst die Freiheit zählt: „Es gibt kein Musizieren nach Vorschrift, das wäre ein ganz falscher Ansatz.“

Verschiedene Perspektiven zulassen und in ihrem Kreuzpunkt nach der Wahrheit suchen – diesen Ansatz verfolgt Kushpler, wenn sie sich mit der Kammermusik ihrer größten musikalischen Leidenschaft hingibt. „Ich liebe das Spiel mit unterschiedlichen Musikern, dass man sich immer wieder neu aufeinander einstellen muss und ein enorm breites Repertoire erarbeiten kann.“ Mit diesem wurde sie ebenso gerne zum Rheingau Musik Festival oder dem Schleswig-Holstein Musik Festival eingeladen wie in das Konzerthaus Berlin, die Tonhalle Düsseldorf den Wiener Musikverein oder die Hamburger Elbphilharmonie. Manchmal geht es dabei auch familiär zu, denn immer wieder tritt die Pianistin im Duo mit ihrer Zwillingsschwester auf, der Opernsängerin Zoryana Kushpler, mit der sie auch zwei CDs eingespielt hat.

Im „Duett mit dem lesenden Schauspieler“

Und dann ist da noch die Literatur: „Ich lese wahnsinnig gerne. Ohne Bücher kann ich mir das Leben überhaupt nicht vorstellen.“ Aus dieser Liebe hat sie 2012 mit dem musikalisch-literarischen Festival „Kontraste“ eine Profession gemacht. Gemeinsam mit Roger Willemsen tourte sie durch die Republik, jetzt sind es Schauspieler wie Barbara Auer und Charly Hübner, mit denen sie das Podium teilt.

„Ich begreife diese Auftritte als Duett mit dem lesenden Schauspieler. Das ist für mich auch eine Art Kammermusik. Die Musik singt gewissermaßen aus dem Text heraus.“ So wie aus Kushplers Klavierspiel die Überzeugung heraussingt, dass die Freiheit der Kunst auch darin besteht, Kompromisse eingehen zu können. „Wenn ich aber von irgendetwas überzeugt bin, dann kämpfe ich auch dafür.“ Auch das glaubt man ihr sofort.

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