Ausgangspunkt ihres Albums „Songplay“ sei eine, nun ja, zweifelhafte Erfahrung, die zahlreiche ehemalige Gesangsstudenten mit ihr teilen würden, erklärt Joyce DiDonato im Booklet zur CD. Die Erfahrung ist eng verbunden ist mit einer Liederfibel, betitelt mit „24 Italienische Lieder und Arien“. An dieser „Sängerbibel“ mussten sich praktisch alle Gesangsstudenten abarbeiten und dabei den Anforderungen der Professoren genügen – mit einer für sie damals desaströsen Erkenntnis: „Wir [die Studenten] sind der Inbegriff äußerster Niedergeschlagenheit und haben im Alleingang die gesamte Menschheit enttäuscht.“
Nun, einige Jahre später, bringt das Notenbuch ihr den OPUS Klassik als Sängerin des Jahres ein. Auf „Songplay“ interpretiert sie ausgewählte Lieder eben nicht so, wie es mancher Gesangsprofessor erwartet. Stattdessen betrachtete sie das Buch als „kühne Einladung zum Spielen, zum Experimentieren“. Konkret heißt das: DiDonato hat zusammen mit einer Band aus Klavier, Trompete, Bandoneon, Bass und Schlagzeug eine Auswahl der Arien in ein neues Klanggewand gegossen und einige amerikanische Songs dazwischengesetzt. Das Ergebnis ist das genaue Gegenteil jener Erfahrung, die die Sängerin als Erstsemester gemacht hat, und offenbart eine hörbare Lust am Musizieren auf höchstem Niveau.
Schlug sich zunächst als Kellnerin durch: Joyce DiDonato
Die Geschichte dieses Albums hat durchaus ihre Analogien zur Karriere der Amerikanerin, die nach ihrer Gesangsausbildung in ihrem Heimatstaat Kansas und in Philadelphia sich erst einmal als Kellnerin durchgeschlagen hatte, bevor sie ihr erstes Engagement an der Santa Fe Opera erhielt. Auch international konnte sie nur schwer Fuß fassen: „Nach dreizehn Vorsingen in Europa gab es zunächst genau ein ,Ja‘“, erzählte sie im concerti-Interview. Erst mit vierzig Jahren erfolgte der Durchbruch an den europäischen Opernhäusern, als sie die Angelina in Rossinis „La Cenerentola“ gab. Es folgten Debüts an der New Yorker MET, 2010 sang sie bei den Salzburger Festspielen, und 2013 hatte sie die Ehre, Solistin der „Last Night of the Proms“ in London zu sein. Inzwischen gehört die Sopranistin zu den wenigen Sängerinnen dieser Welt, die den Spagat vom Barock bis zum Belcanto rundum überzeugend meistern. Gerade in letzterem Opernfach vermag die Sopranistin gar all jene zu überzeugen, für die der Belcanto nur manierierte Akrobatik ist. Denn genau das macht DiDonato eben nicht. Stattdessen ordnet sie jede Virtuosität, jede Girlande des Schönklangs dem Prinzip des Ausdrucks unter – wie auch auf ihrem Arienalbum. Sollen die Gesangsprofessoren denken was sie wollen – am Ende geht es nur darum, mitreißend Musik zu machen!