Feierlich eröffnet der gesungene Ausruf „Stravaganza d’Amore!“ die Einspielung und bereitet sinnbildlich die Bühne für Orfeus, Eurydike und Amor. Dieser mythologischen Liebesgeschichte haben sich seit Claudio Monteverdis gattungsbegründendem Werk bereits zahlreiche Komponisten der Opernwelt angenommen. Aber gab es vor dem berühmten „L’Orfeo“ von 1607 eine Leerstelle? Im Gegenteil! Ensembleleiter Raphaël Pichon hat gemeinsam mit Miguel Henry verschiedene Intermedien zu Zeiten der florentinischen Medici rekonstruiert, die als Zwischenaktspiele die Tragödien um La Pellegrina, Dafne und eben auch Orfeus und Eurydike auflockerten. Jene musikalischen Einschübe zwischen den mythologischen Fünfaktern sind ein renaissancistisches Phänomen und bilden mit ihren Monodien gleichzeitig die Wiege der frühen Oper. Indem Pichon die eher unbekannten Kompositionen von u.a. Giulio Caccini, Jacopo Peri und Cristofano Malvezzi zu vier imaginären Intermedien zusammengeführt hat formt er eine neue dramaturgische Erzählung.
Möchte der Musik Farben und Formen geben: Raphaël Pichon
Angelehnt an die Erzählung von Pygmalion, dessen selbst geformte Frauenstatue durch die Venus zum Leben erweckt wird, verortet Raphaël Pichon den Prozesscharakter seines Ensembles: „Wir arbeiten hart daran, der Musik schöne Gestalten, Farben und Formen zu geben, und wir hoffen, dass sie während der Konzerte belebt wird.“ 2006 anlässlich des Europa Bach Festivals gegründet, vereint das Ensemble Pygmalion chorische und instrumentale Besetzung. In der engen Zusammenarbeit beider Elemente liege der Schlüssel zu einer authentischen, allem voran lebhaften Interpretation Alter Musik, so Pichon. Obwohl er Bach als Basis ihrer Musizierpraxis bezeichnet, spannt er den Bogen zu neueren Epochen.
Die preistragende CD reist jedoch zurück ins ausgehende 16. Jahrhundert an den Fürstenhof der Medici. Dort fanden die mythologischen Extravaganzen der Liebe innerhalb der intermedialen Theateraufführungen ihren Ausdruck. Weniger extravagant als vielmehr delikat gestaltet sich der differenziert polyphone Gesang des Ensembles, während der instrumentale Unterbau trotz heiterer Stimmungen die tieferen Klangfarben nicht scheut, und das Zusammenspiel zu einem warmen Rund komplettiert. Raphaël Pichons dramaturgischer Geniestreich entfaltet inhaltlich wie sinnlich seine Wirkung und bettet die Zuhörenden in geschmeidig geformten Wohlklang – ganz in der Nachfolge Pygmalions.
Sehen Sie hier den Trailer zum Preisträger-Album „Stravaganza d’Amore!“ des Ensemble Pygmalion und Raphaël Pichon:
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