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Porträt Philippe Jordan

Europa in einer Person

Philippe Jordan vereint in Paris nord- und südländische Klangtraditionen und macht dabei von sich reden

vonPeter Krause,

Wahrscheinlich wäre Richard Wagner ein wenig neidisch auf ihn. Während der Komponist in jungen Jahren in Paris, der europäischen Musikstadt par excellence, um ein wenig Anerkennung buhlte und Meyerbeer als dem erfolgsverwöhnten französischen Schöpfer der Grand Opéra gar unterwürfige Briefe schrieb, ist Philippe Jordan hier mit Mitte 30 sogleich sesshaft geworden. Er kam, dirigierte und siegte.

Der Schweizer wird von seinem Orchestre de l’Opéra National de Paris verehrt und von den kundigen wie kritischen Pariser Opernfreunden geliebt. Sein Orchester darf der bescheiden und geerdet gebliebene, jungenhafte und hoch reflektierte Dirigent getrost „das beste in Frankreich“ nennen. Mit dem alterehrwürdigen Juwel der Opéra Garnier, wo der Legende nach das Phantom der Oper spukt, und der von Ex-Präsident François Mitterand in Auftrag gegebenen, demokratisch gedachten Opéra Bastille gebieten Jordan und sein Klangkörper über gleich zwei der schönsten Musiktheaterbauten Europas. Hier hat der Sohn des ebenso bedeutenden Dirigenten Armin Jordan zum Wagner-Jahr 2013 endlich wieder einen kompletten Ring des Nibelungen geschmiedet, hier hat er Debussys Pelléas et Mélisande federleicht zum Schweben gebracht, hier dirigiert er die Meisterwerke von Verdi und Strauss und demonstriert mit einigen bemerkenswerten CD-Aufnahmen, wie gut ein exzellentes Opernorchester sich auch im sinfonischen Repertoire profilieren kann.

Musikalische Visitenkarte: Deutsch-französische Melange

In aufregender Weise auffällig ist, wie sich in Paris noch heute die nördliche und die südeuropäische Klangtradition kreuzen, die Jordan als gebürtiger Schweizer seinerseits beide im Blut hat: „In der Arbeit am Ring in Paris wurde schnell deutlich, dass ich gar nicht die Tugenden des französischen Orchesters pflegen, sondern eher versuchen musste, eine deutsche Klangvorstellung hervorzurufen. Die Art und Weise hier zu spielen, ist von vornherein so klar, leuchtend und transparent, dass ich eher am spezifischen Stil Wagners arbeiten musste, ohne dass mein Orchester dabei freilich seinen eigenen Klang verlieren durfte.

Eine eigentümliche Melange der Stile spürt der Maestro auch in den Kompositionen der einstmals offiziellen Antipoden: „Der Pelléas ist für mich das Schwester- oder besser: das Tochterstück des Parsifal. Bei Debussy empfand ich, dass man diese Musik nicht fassen kann, sie bleibt ähnlich und ist doch nie gleich, man muss ganz ihrem Fluss vertrauen, was für einen Dirigenten zunächst sehr verunsichernd sein kann. Wie das Wasser, die Luft und das Licht muss alles fließen. Nachdem ich das bei Debussy verstanden und akzeptiert hatte, wurde es ein wichtiges Element für den Parsifal. Gleich das Vorspiel ist enorm impressionistisch.“

Dirigentische Demut an Wagners eigener Spielstätte

Mit riesigem Erfolg debütierte Jordan 2012 in Bayreuth, sogar gleich mit dem Parsifal, den Wagner eigens für den verdeckten Orchestergraben des Festspielhauses konzipiert hatte. „Man hat das Gefühl, dort in das Gehirn des Komponisten hineinzugehen. Das Zentrum dieses Gehirns ist der verdeckte Orchestergraben, verbunden mit der Akustik des Festspielhauses. Man kann geradezu physisch verstehen, was dem Komponisten wichtig war und wie genau er das in Architektur und Akustik umgesetzt hat. Da lernt man dann, wie man sein Dirigieren anpassen muss an Wagners Vorstellung fließender zügiger Tempi, die niemals stehenbleiben. Und im Umgang mit dem Orchester lernt man, auf Äußerliches ganz zu verzichten, möglichst klein und ökonomisch zu schlagen, um einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Man lernt auch dirigentische Demut.“

Paris, Bayreuth – und nun auch noch Wien

Neben seiner Heimstatt Paris und einem gelegentlichen sommerlichen Abstecher nach Bayreuth wird Philippe Jordan auch in der anderen europäischen Metropole der Musik seine Zelte aufschlagen: Mit Beginn der Spielzeit 2014/15 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Dann kann er womöglich sogar in den Partituren von Beethoven und Bruckner famose französische Farben aufspüren. Zunächst aber wird er bei den Münchner Opernfestspielen seine Stärken zeigen, wenn er die nord- und südeuropäischen Klang-traditionen von Strauss und Verdi vereint.

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