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Das Danish String Quartet im Porträt

Nordische Kombination

Ob Klassik oder Folk: Das Danish String Quartet begeistert mit unkonventionellen Konzertformaten und sympathischer Bodenständigkeit

vonNinja Anderlohr-Hepp,

2009. Ein heißer Sommer in Mecklenburg-Vorpommern. Am Strand des Seebades Sellin sitzen vier junge, blonde Männer in blau-weiß-gestreiften Strandkörben, man spricht über das schweißtreibende wie beeindruckende erste Deutschlandkonzert am Vorabend. Entspannt wirken sie, die vier Musiker des Young Danish String Quartet, die sich am Vortag inklusive Instrumenten in einem klapprigen Bus von Kopenhagen auf den Weg nach Rügen gemacht haben.

Jedem einzelnen von ihnen sitzt der Schalk im Nacken

Ein Treffen in der Lobby eines Hamburger Design-Hotels. Die Bärte sind länger, die Gesichter wettergegerbt vom Segeln, einige der Vier sind verheiratet, haben Familie. Und noch etwas hat sich verändert: Ein Geheimtipp ist das Quartett, das mittlerweile das „Young“ aus seinem Namen gestrichen hat, schon lange nicht mehr. Rune Tonsgaard Sørensen, Frederik Øland, Asbjørn Nørgaard und Fredrik Schøyen Sjölin vermitteln ihrem Gegenüber gegenseitige Freundschaft und Freude, sei es im Gespräch oder auf der Konzertbühne. Sie spielen nie in Anzügen oder Frack, jedem Einzelnen sitzt der Schalk im Nacken und die Augen blitzen, wenn sie von sich, ihren Plänen erzählen.

Und obwohl sie auf den ersten Blick aussehen wie ein paar Hipster, die sich zum Kaffeetrinken getroffen haben, sind diese vier Musiker mehr als manch anderes Quartett Traditionalisten: „Das Konzept des Danish String Quartet ist ein generationenübergreifendes – wir sind bereits die dritte! Das ursprüngliche Danish Quartet begann seine Arbeit im frühen 20. Jahrhundert, unser Lehrer Tim Frederiksen war später, ebenso wie sein Vater zuvor, Mitglied. Er hat uns den Staffelstab übergeben, um die Tradition weiterzuführen“, erklärt Geiger Øland.

Das Danish String Quartet hat einen einzigartigen Klang

The Danish String Quartet
The Danish String Quartet © Caroline Bittencourt

Kennengelernt haben sich die drei Dänen des Quartetts in Ferienkursen, bei denen sich der musikalische Nachwuchs Dänemarks jährlich trifft, um sich auszutauschen und Konzerte zu spielen. Bereits im Teenageralter findet das Quartett in der Gründungsbesetzung zusammen. Sjölin, der einzige Norweger im Bunde, stößt 2008 dazu. Von da an ist der Erfolg des Danish String Quartet nicht mehr aufzuhalten: Konzertveranstalter werden aufmerksam, die Einladung nach New York in das Förderprojekt der Chamber Music Society öffnet den Dänen das Tor zur weiten Welt. Denn eines ist ganz offensichtlich: Dieses Quartett hat einen einzigartigen Klang, der zwischen rau und sanft, zupackend und sensibel changiert und jeden Zuhörer abholt.

Ob auf dem Konzertprogramm Haydn, Beethoven oder selbstgeschriebener Folk steht, ist fast Nebensache. Die musikantische Seite des Quartetts mit seiner Mischung aus Eleganz, Intelligenz, Freiheit, Anarchie und Bodenständigkeit zieht jeden in seinen Bann. Die Kritiker überschlagen sich nach den Konzerten der Dänen, die trotz der Lobeshymnen keine Starallüren zeigen: „Es gibt immer wieder Meilensteine, zum Beispiel unser erstes Carnegie-Konzert: Wir waren backstage, das Konzert sollte in ein paar Minuten beginnen, und plötzlich wurde mir klar: Oh Mann, du bist gerade im Greenroom der Cargenie Hall! Du bist so im Fluss die ganze Zeit und plötzlich trifft es dich“, erinnert sich Øland.

The Danish String Quartet
The Danish String Quartet © Caroline Bittencourt

Vier Mülleimer voll Trockeneis auf der Bühne

Mittlerweile hat das Danish String Quartet auch den Schritt hinter die Bühne gewagt: Neben dem eigenen „DSQ Festival“ in einer alten Kopenhagener Mädchenschule, bei dem von der Bar bis zu den Plakaten alles selbstgemacht ist, veranstalten die Musiker seit 2016 auch die „Series of Four“ in der Royal Danish Academy of Music mit vier Konzerten pro Saison und unterschiedlichen Konzertformaten. „Wir probieren uns gerne aus, selbst wenn das heißt, dass anstelle von geheimnisvollen Nebelschwaden auf der Bühne vier Mülleimer voller Trockeneis stehen und man realisiert, dass das vielleicht keine so gute Idee war“, erklärt Øland lachend.

Dass der Forscherdrang des Danish String Quartet auch musikalisch keine Grenzen kennt, sieht man an seiner Diskografie: Dort tummeln sich neben Nielsen und Haydn mittlerweile auch zwei Folk-Alben. Nicht selten wird das Quartett für Doppelabende gebucht oder für ganze Mittsommerfeste, bei denen dann bis spät in die Nacht zu dänischen Folk-Klängen getanzt wird. „Für manche ist es natürlich schwer zu verstehen, wer wir sind und was wir machen“, versucht Sjölin die Arbeit des Quartetts zu beschreiben. „Aber uns ist das egal. Wir knüpfen an dieser Stelle an die Gesellschaften des 19. Jahrhunderts an – denn seien wir ehrlich: Das waren bestimmt keine Konzerte nach unserem modernen Verständnis, sondern Jam-Sessions! Musik auf ein Level herunterzubrechen, auf dem man wie früher im Wohnzimmer mit netten Leuten bei Essen, Trinken und viel Musik zusammensitzt – darum geht es uns!“

Hören Sie „Shine you no more“ aus ihrem Album „Last Leaf“:

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