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Porträt Ran Jia

Das Herz auf dem Tisch

Ihre große Liebe hat die Pianistin Ran Jia schon sehr früh entdeckt: Franz Schubert – seinetwegen zog sie sogar nach Europa

vonKatherina Knees,

Bereits als Kind war die Chinesin Ran Jia fasziniert von Franz Schuberts Klavierwerken. „Wenn ich ein Stück von ihm spiele, ist es einfach so, als würde ich mein Herz auf den Tisch legen.“ So hat sie bereits 2008 mit neunzehn Jahren beim Klavierfestival Ruhr mit einem Schubert-Programm auf sich aufmerksam gemacht. Inzwischen vergeht für die 27-Jährige nach eigener Aussage kein Tag mehr ohne die Musik des österreichischen Komponisten – „die brauche ich zum Atmen. Bach, Mozart, Brahms und Beethoven mag ich ja auch sehr, aber mit Schubert ist es noch mal anders.“

Der große Traum: live alle Schubert-Werke zu spielen

Mit dreizehn Jahren spielte sie zum ersten Mal seine vorletzte Sonate, und da war es endgültig um sie geschehen. „Als ich dann mit fünfzehn Jahren zu Gary Graffman an das Curtis Institute of Music kam, habe ich nur noch Schubert gespielt. Er hielt mich für ein bisschen verrückt, glaube ich. Aber ich habe damals schon davon geträumt, einmal alle Klavierwerke des Komponisten im Konzert zu spielen.“ Und tatsächlich werden manche Träume – fast – wahr: Im März gibt sie in Berlin einen Zyklus mit allen Klaviersonaten, verteilt auf vier Abende.

Ran Jia
Ran Jia © Uwe Arens

Dass ihre Debüt-CD aus zwei Schubert-Sonaten bestand, verwundert also nur wenig. Obwohl Ran Jias Vater Komponist ist, wollte er, dass seine Tochter nur nebenbei als Hobby ein bisschen Klavier spielt. „Für chinesische Eltern sind meine Eltern da ziemlich entspannt. Aber mit neun Jahren habe ich Ihnen gesagt, dass ich Konzertpianistin werden möchte.“ Begeistert waren die Eltern nicht gerade, schon gar nicht, als sie dann ein paar Jahre später ihre Heimatstadt Shanghai verlassen und nach Amerika gehen wollte. „Aber sie haben mich trotzdem immer unterstützt, darüber bin ich wirklich froh.“ Da in Amerika immer ein Elternteil bei dem Kind wohnen muss, wenn es noch nicht sechzehn Jahre alt ist, kam ihre Mutter mit nach Philadelphia. „Aber danach musste ich alleine klarkommen. Und kochen lernen.“

Nach ihrem Diplom in Philadelphia gab es für sie nur zwei Möglichkeiten: entweder nach New York zu gehen – oder nach Europa. Sie hat sich für zweiteres entschieden, und als leidenschaftlicher Schubert-Fan fiel die Wahl des Wohnortes recht leicht. Am Ende wurde es zwar nicht Wien, aber immerhin das deutsche Köln, „auch wenn es mir zuerst wirklich gruselig erschien, wieder in ein Land zu kommen, in dem ich die Kultur gar nicht kenne und die Sprache nicht verstehe.“ In letzter Zeit lebt sie auch in Italien am Comer See, wo sie ihren Lehrer hat.

Irritierende Stille in Deutschlands Konzertsälen

Ran Jia
Ran Jia © Uwe Arens

Dass sie Schubert anders spielt, seit sie in Deutschland wohnt, glaubt sie indes nicht. Aber sie kann die „innere Ruhe“, die in Schuberts Musik steckt, besser nachempfinden: „Hier in Deutschland ist es so still und ruhig und die Straßen und Häuser sind kleiner. Auch das Publikum hier ist so leise und konzentriert. Als ich das erste Mal in Deutschland ein Konzert gegeben habe, habe ich mich auf der Bühne kaum getraut zu schlucken und habe mich die ganze Zeit gefragt, ob die Menschen im Zuschauerraum überhaupt atmen.“ Nachdem Ran Jia auf den internationalen Konzertpodien einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, wird es nun spannend sein, wie das Repertoire der anderen Komponisten klingt, wenn sie am Klavier sitzt. Allmählich löst sie sich vom Komponisten aus Wien und wagt sich in Jena an Griegs Klavierkonzert.

Auch in China liebt man übrigens Schubert, womit Ran Jia nie gerechnet hätte. Doch die Tickets für ihr erstes Schubert-Rezital in Shanghai waren schon Monate vorher ausverkauft. Und seit ihr Traum in greifbarer Nähe ist, hat sie auch schon ihren nächsten: noch mal den Schubert-Zyklus spielen. Dann aber in ihrem Heimatland.

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