Riccardo Minasi kommt gerade von einer langen Probe mit dem Mozarteumorchester, dessen Chefdirigent er seit dieser Saison ist. Trotzdem zeigt der Römer keinerlei Erschöpfungserscheinungen. Dass er einmal als Leiter vor einem der besten Orchester Europas stehen würde, hätte er selbst nie gedacht, denn seine Karriere begann als Geiger und Konzertmeister in verschiedenen Orchestern wie der Accademia Bizantina oder dem Concerto Vocale Gent. „Ich bin nie eines Morgens aufgewacht und habe mich dazu entschieden, Dirigent zu werden“, sagt er.
Von den Besten lernen
Doch in seiner Rolle als Konzertmeister wurde er während der Proben häufig gebeten, das Orchester vorzubereiten. Dafür habe er meist die Violine weggelegt und mit den Händen dirigiert. „In diesen Momenten habe ich mir gedacht: Wenn ich das wirklich machen möchte, sollte ich lernen, meine Hände ein bisschen professioneller zu bewegen“, erzählt er und lacht dabei herzlich. Ein vollausgebildeter Dirigent sei er dennoch nicht, sagt Minasi, denn er habe nie am Konservatorium studiert. Trotzdem habe er von den Besten gelernt. „Ich habe vielen tollen Dirigenten bei ihrer Arbeit zugesehen und konnte dadurch meine eigene Technik entwickeln“. Als Musiker habe er zusätzlich viel von den unterschiedlichen Arten, ein Orchester zu leiten, gelernt, das ihn für seine Arbeit sensibilisiert habe.
Väterlicher Prophet
Mit der Gründung des Ensembles „Il pomo d’oro“ im Jahr 2012 begann Riccardo Minasi, Barockopern zu leiten und wurde für immer mehr Produktionen als Dirigent eingestellt. „Ich kann nicht leugnen, dass ich sehr froh darüber bin“, lacht er. Der Einzige, der schon immer wusste, dass er einmal Dirigent werden würde, war sein Vater. Schon als Kind habe er seinen Sohn in der Rolle des Orchesterchefs gesehen. „Leider ist er früh verstorben und konnte mich nie auf der Bühne dirigieren sehen.“
Lange war Riccardo Minasi als Spezialist für Alte Musik und historische Aufführungspraxis bekannt. Doch vor einigen Jahren hat er sich mehr und mehr davon abgewandt. Ausschlaggebend dafür war die Arbeit an der Partitur von Bellinis Oper „Norma“. Dabei habe er festgestellt, dass sich der Text der heutigen Editionen in wesentlichen Teilen vom Original unterscheide. Davon fasziniert, setzte er sich auch mit anderen Barockwerken auseinander und stellte ähnliche Unterschiede fest. Die Tatsache, dass viele Musiker der historischen Aufführungspraxis die eigentlichen Quellen gar nicht kennen, habe ihn so sehr frustriert, dass er sich immer weiter von der Barockmusik entfremdet habe, erklärt Minasi.
Riccardo Minasi und die fehlende Zeitmaschine
Mit seinem Orchester „Il pomo d’oro“ habe er die für sich richtige Spielweise barocker Werke gefunden, sei dafür aber von vielen Seiten kritisiert worden. „Ich sage nicht, dass mein Ansatz richtig ist, aber ich nehme die Sache ernster und bin ehrlicher“, sagt Minasi. „Leider haben wir noch keine Zeitmaschine um mitzuerleben, wie die Stücke damals gespielt wurden, und so müssen wir immer einen Kompromiss finden.“
Stattdessen freut sich Riccardo Minasi, mit dem Mozarteumorchester Werke aus der Klassik und Romantik aufzuführen. „Es war schon immer mein Traum, Igor Strawinsky und Richard Strauss zu dirigieren. Letztes Jahr hatte ich endlich die Möglichkeit dazu.“ Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Aufführung vernachlässigter Werke, beispielsweise von Domenico Cimarosa und dem Beethoven-Zeitgenossen Anton Eberl.
Sehen Sie hier Riccardo Minasi und das Mozarteumorchester mit Vivaldi: