Lampenfieber sei nur eine Frage der Vernunft, erklärt Robert Neumann. Eine überaus negative Empfindung, aus der er weder Energie noch Ruhe ziehen könne. „Ich sage mir: Robert, habe das nicht.“ In Interviews mit dem 2001 geborenen Pianisten trifft man auf einen ungewöhnlich reflektierten jungen Künstler, für den der Begriff Talent und die Fragen nach Vorbildern und Lieblingskomponisten ins Leere führen. Letzteren könnte heute sowieso keiner mehr das Wasser reichen. 2021 erhielt er für sein Debüt-Album mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach, Sergej Rachmaninow, Frédéric Chopin und Alexander Skrjabin einen Opus Klassik. Der SWR förderte ihn drei Jahre als „New Talent“, auch gewann er internationale Nachwuchspreise. 2018 war er Artist-in-Residence beim Festival „Next -Generation“ im schweizerischen Bad Ragaz, dazu kamen Auftritte beim Schleswig-Holstein Musik Festival und mit dem Gewandhausorchester Leipzig. Als Ausnahmetalent sieht sich der gebürtige Stuttgarter aber nicht. Entscheidender sei für ihn die Frage nach der Motivation eines Künstlers. Seine Antwort: „Die Freude auf der Bühne zu stehen ist die Brennstoffzelle, die in der Musik steckt. Wer nur für sich alleine spielt, der hat heutzutage verloren.“
Tiefes Literaturverständnis
Bei einer Mutter als Pianistin und einem Vater, der Cello im Radio-Sinfonieorchester Stuttgart spielt, war das frühe Interesse für Musik fast unausweichlich. Mit acht debütierte Neumann mit dem heutigen SWR Symphonieorchester, im Alter von elf Jahren wurde er in die Klasse von Elza Kolodin in Freiburg aufgenommen. 2021 begann er ein Masterstudium bei Eldar Nebolsin an der Hanns Eisler Hochschule für Musik in Berlin. Neben dem täglichen Klavierspiel komponiert auch der Zwanzigjährige. Mitschnitte auf Youtube zeugen hier von einem tiefen Literaturverständnis. Die Violinistin und Kammermusikpartnerin Julia Fischer sagt über ihn: „Robert ist ein sehr intelligenter Musiker, der in der Lage ist, ein Werk in seiner Gesamtheit zu erfassen.“
Und in der musikfreien Zeit? Da darf es für den dreisprachigen Neumann gerne etwas Homer (im Original) sein. Zudem interessiert er sich für Antiquitäten und zeichnet – etwa ein Beethoven-Porträt, das er stets griffbereit auf dem Handy haben soll.