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Porträt Robin Ticciati

„Das wird meine Familie“

Der Brite Robin Ticciati freut sich auf Berlin: 2017 übernimmt er beim Deutschen Symphonie-Orchester das Chefdirigat

vonEcki Ramón Weber,

Ein Gentleman mit Herz, Haltung und viel Leidenschaft für die Musik: So wirkt Robin Ticciati. Im Gespräch kommt der Brite höflich, freundlich und jovial daher – kein Wunder, dass er jüngst bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt in Berlin selbst die alles andere als umgänglichen Hauptstadt-Medien für sich hat einnehmen können. Ein vielversprechendes Entrée für den künftigen Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO): Ab der Saison 2017/18 wird er dann den Klangkörper für fünf Jahre leiten.

Ausgebildet an Klavier, Geige und Schlagzeug

Geboren 1983 in London, wo er bis heute lebt, begann Ticciati seine musikalische Ausbildung an Klavier und Geige, später kam das Schlagzeug dazu. Lehrreich waren sie allesamt: Das Klavier habe ihn harmonische Zusammenhänge und Stimmverläufe gelehrt, durch die Geige wisse er heute aus eigenem Erleben genau, was für Streicher möglich sei – und das Schlagzeug habe ihm neben Rhythmusgefühl eine „bestimmte topografische Perspektive“ gegeben. „Dies hat mir den Blick dafür geöffnet, was es heißt, ein Orchestermusiker zu sein“, blickt der groß gewachsene Lockenkopf zurück. „Ein Schlagzeuger, der bis zu seinem Einsatz 500 Takte Pause hat, ist eine andere Person als die zweite Violine, die jeden Takt spielt.“

„Der Natur nah zu sein, das bereichert mich“

An den Moment, als er sich dann entschloss, Dirigent zu werden, erinnert sich der Londoner bis heute genau: Er war 14 Jahre alt und probte die erste Sinfonie von Sibelius in den zweiten Geigen des National Youth Orchestra of Great Britain unter Sir Colin Davis – „und ich war völlig überwältigt von seiner Präsenz. Er spielte im Geiste praktisch jedes Instrument vom Dirigentenpult“, erzählt Ticciati. „Da dachte ich, das muss ich auch tun.“ Davis mit seinem Glauben an die Kraft der Musik wurde zu einem prägenden Mentor – desgleichen sein Landsmann Simon Rattle: Von ihm lernte der junge Mann mit den langen, schlanken Fingern das kritische Hinterfragen der Partituren.

Seine eigene Karriere nahm dann schon bald rasch Fahrt auf: 2005 als 22-Jähriger Debüt an der Mailänder Scala, 2006 folgten die Salzburger Festspiele, ab 2010 wirkte er drei Jahre lang als Erster Gastdirigent der Bamberger Symphoniker – die gemeinsame Brahms-Einspielung wurde 2011 gleich mit einem „Echo“ ausgezeichnet.

Mittlerweile dirigiert Ticciati von Los Angeles bis Amsterdam, gastiert an Opernhäusern von New York bis London und fühlt sich dort bei Schönberg ebenso wohl wie bei Berlioz oder Mozart. „Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht nur ein Repertoire mache“, meint der Engländer mit einem selbstbewussten Augenzwinkern. Ohnehin ist der Dirigent der Überzeugung, dass mit der richtigen Geisteshaltung Alte Musik auch ohne Darmsaiten bereichern könne – ebenso wie umgekehrt die Entdeckung Neuer Musik: „Wenn klassische Musik kein Museumsobjekt werden soll, müssen wir dafür sorgen, die nächsten wichtigen Komponisten zu finden.“ Schließlich seien alle Meisterwerke irgendwann einmal selbst Neue Musik gewesen.

Mit dem Wechsel nach Berlin endet zugleich seine Zeit in Schottland, wo Ticciati seit 2009 Chef des Scottish Chamber Orchestra ist; allein als Musikdirektor der Glyndebourne Festival Opera will er dort weiterhin tätig sein. Doch da Glyndebourne sommers stattfindet, dürfte es wenig Interessenskonflikte mit dem DSO geben. Zumal er schon vor seiner Vertragsunterzeichnung in Berlin beteuert hat: „Dies wird meine musikalische Familie sein.“ Dabei hatte er dort erst 2014 seinen Einstand mit Bruckners Vierter gegeben – doch es muss wohl Liebe auf den ersten Blick gewesen sein: „Als ich in die erste Probe kam und meinen Taktstock hob, spürte ich, dass hier eine Gruppe von Menschen war, die genau wissen wollten, was ich machen möchte“, schwärmt Ticciati. „Die Musiker sind offen, emotional und auch ausgelassen in der Art, wie sie auf die Musik reagieren.“

So will der Engländer denn 2017 auch nach Berlin ziehen, um nah bei seinem neuen Orchester zu sein und Teil der „Gemeinde“ zu werden. „Das wird mein Zuhause“, sagt der Dirigent. Und auch in seiner Freizeit dürfte er in einer der grünsten Metropolen und ihrem seenreichen Umland auf seine Kosten kommen: „Wenn ich nicht arbeite, mag ich es, mich in der Natur aufzuhalten. Den Elementen nah zu sein, das bereichert mich.“

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