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Porträt Roland Böer

Hinab in die Wolfsschlucht

Das Staatstheater Nürnberg hat in Roland Böer einen Generalmusikdirektor gefunden, der sich mit Leib und Seele dem Musiktheater verschrieben hat.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Die Nürnberger Thea­terlandschaft ist im Umbruch: Die General-­Sanierung des Opernhauses am Richard-Wagner-Platz steht an, die Heizungsanlage ist auf dem Stand von 1905 und die problematische Obermaschinerie von Bayerns größtem Mehrspartenhaus kann früher oder später vom TÜV nicht mehr für den Betrieb freigegeben werden – abgesehen von der allzu kleinen Hinterbühne, die Gastspiele erschwert. Auch der Umbau der Kongresshalle zu einer Interimsspielstätte verzögert sich im bürokratischen Gewirr von Ausschreibungen, Vergabeentscheidungen und Drittmittelförderungsprozessen.

Einig ist man sich dennoch, dass es keine Spielpause für Musiktheater und Ballett geben soll. Zeiten, in denen enthusiastische und gleichzeitig pragmatische Musikerpersönlichkeiten gefragt sind – wie ­Roland Böer, der als neuer GMD der Staatsphilharmonie die Nachfolge der gefeierten Joana Mallwitz antritt. Voller Ideen und zugleich unprätentiös, bringt der 52-jährige Dirigent aus Frankfurt genau das mit, was es in der derzeitigen Situation braucht.

Fasziniert von allem, was sich auf der Bühne abspielt

„Nürnberg hat ein erstklassiges Musiktheater“, wusste bereits Richard Strauss im Jahr 1930. Und auch der „Neue“ verspricht, den Status zu halten. Böer begann seine Laufbahn als Korrepetitor an der Frankfurter Oper, wo er bei „Tastendiensten“ im Orchester und szenischen Proben sich nicht nur ein veritables Opernrepertoire aneignete, sondern auch ein Ohr für die zwischenmenschlichen Töne bekam. Bereits als Kind war er fasziniert von allem, was sich auf der Bühne abspielte, war überwältigt von den Ausdrucksmöglichkeiten.

In Franken nahm Roland Böers Karriere auch ihren Anfang: In Würzburg studierte er Dirigieren
In Franken nahm Roland Böers Karriere auch ihren Anfang: In Würzburg studierte er Dirigieren

Beim Blick „in den Resonanzboden des Cembalos“ seiner Mutter glaubte er sogar, „Parallelen zum Schnürboden auf der Bühne“ zu erkennen. „Immer wenn ich auch heute noch auf die Bühne eines Theaters komme, das ich neu kennenlerne, blicke ich ganz nach oben, auf die Zugstangen für das Prospekt, die Bühnenbilder, die Beleuchtung, auf die Arbeitsgalerien. Das erscheint mir wie der Himmel auf Erden. Was hier alles möglich ist! Das Märchenhafte, das Historische, das Gesellschaftskritische, die Magie der Illusion, der wahnsinnige Zauber, all dies nur aus der Fantasie geboren! Und das oft mit einfachsten Bühnen­elementen!“

Hingabe an die Musik, aber auch Großmut und Respekt für alle Beteiligte

Er freue sich, ein Teil „dieser wunderbaren Welt zu sein“. Doch nicht nur die Frankfurter Oper prägte ihn, sondern auch seine Zeit als Assistent von Antonio Pappano, sei es in Bayreuth bei der Festspiel-Produktion des „Lohengrin“ oder in Brüssel und London – Opernhäuser, an die er übrigens Jahre später als Dirigent zurückkam. Pappano gab ihm einen Satz mit, der ihn bis heute begleitet: „To be ­generous!“ ­Gemeint ist damit: Hingabe an die Musik, aber auch Großmut und Respekt für alle Beteiligte. Nichts sei zerstörerischer als das „laute falsche Wort“. Und dennoch gilt es, mit Stringenz und Geduld das Ziel zu verfolgen und nicht nachzulassen, ganz im Sinne eines weiteren Satzes, den ihm ein anderer Lehrer mitgab: „Roland, du darfst keinen ,Freischütz‘ dirigieren, wenn du selbst nicht bereit bist, um Mitternacht in die Wolfsschlucht zu gehen und beim Bleikugelgießen zuzuschauen.“

Eine wichtige Station in Böers musikalischem Werdegang wurde seine Zeit in Italien. Bis 2020 war er zwölf Jahre lang künstlerischer und musikalischer Leiter des Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano, eines nicht-kommerziellen Festivals, das Hans Werner Henze 1976 ins Leben gerufen hatte. Eine musikalische Spielwiese, auf der Böer vieles ausprobieren und entwickeln konnte, Programme mit modernem wie klassischem Repertoire etwa, die auch das Publikum annahm. Denn Böer ist davon überzeugt, dass das Kunstwerk erst im Hörer, im Betrachter entsteht. Auch für Nürnberg verspricht der neue GMD eine spannende ­Mischung. Derzeit laufen die Proben von Hindemiths „­Mathis der Maler“, für die ­Eröffnungspremiere.

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