Neue Veröffentlichungen von Simone Kermes gleichen oft einer Entdeckungsreise in die barocke Vergangenheit. Nachdem die Sopranistin für das Album „Dramma“ mehrere Kastratenarien ausgegraben und erstmals aufgenommen hatte, widmet sie sich nun mit der CD „Rival Queens“ einem weiteren, außergewöhnlichen Kapitel der Operngeschichte: dem Wettstreit zwischen den beiden Sängerinnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni.
Anfang des 18. Jahrhunderts war zwischen diesen zwei Italienerinnen in London ein heftiger Konkurrenzkampf entbrannt, der bis hin zu Handgreiflichkeiten auf der Bühne führte. Georg Friedrich Händel hatte Cuzzoni 1722 entdeckt und für seine Royal Academy of Music in London engagiert. Vier Jahre später traf auch Bordoni in der englischen Hauptstadt ein, wo sie ihr Debüt in Händels Oper Alessandro gab.
Neu inszeniert: die Mutter aller Theaterskandale
Die Sopranistinnen hatten zuvor schon in Venedig und Mailand gemeinsam auf der Bühne gestanden, doch nun entwickelte sich – angestachelt von der lokalen Presse – eine regelrechte Feindschaft. Zudem teilte sich das Publikum in Bordoni- und Cuzzoni-Anhänger, die stets ihre Favoritin bejubelten und die Kontrahentin mit Zischen bedachten. Als die beiden schließlich im Juni 1727 in Giovanni Battista Bononcinis Oper Astianatte aufeinandertrafen, kam es im Haymarket Theatre zu einem Handgemenge: Laut Zeitungsberichten zogen sich die extravaganten Solistinnen an den Haaren und warfen sich üble Beschimpfungen an den Kopf. Es sollte dies auch der letzte gemeinsame Auftritt gewesen sein.
Zusammen mit der aus Alaska stammenden Mezzosopranistin Vivica Genaux erinnert Simone Kermes nun an die „Mutter aller Theaterskandale“, mit mehreren Arien sowie Duetten jener Zeit, u. a. von Johann Adolf Hasse, Nicola Antonio Porpora und Geminiano Giacomelli. Dazu posierten sie für die Albumfotos mit Florett und Pistolen und rauften sich die Haare – freilich rein fiktiv.
„Wir kennen uns schon länger und wir verstehen uns viel zu gut, um Rivalinnen zu sein. Vivica und ich sind wirklich Kumpel, wo jeder dem anderen etwas gönnt, verstehen uns sowohl als Sänger als auch menschlich sehr gut. Wir müssen noch daran arbeiten, auf der Bühne die Fetzen fliegen zu lassen“, sagt Kermes, auch im Hinblick auf die anstehenden Konzerte, die sie gemeinsam mit Genaux gibt.
Tatsächlich scheint ein öffentlich ausgetragener Sängerinnen-Krieg wie bei Bordoni und Cuzzoni im heutigen Operngeschäft kaum denkbar. Diventum ist selten geworden, und die großen Solisten vermeiden Skandale lieber, statt sie zu produzieren. Es sei heute verschrien und werde opernintern eher verlacht, wenn man wie eine Diva auftrete, sagte jüngst die Sopranistin Anna Prohaska im concerti-Gespräch.
Wobei Simone Kermes anmerkt: „Das Zickengehabe von Bordoni und Cuzzoni, das gibt es heute teilweise auch noch. Es gibt auf der Opernbühne immer auch Neid. Schließlich will jeder den meisten Applaus.“ Kermes vermutet außerdem, dass noch heute an bestimmten Opernhäusern Claqueure bei Beifallsstürmen und Buh-Arien mitmischen.
Selbstbewusst: Sorgen wegen der Konkurrenz macht sich Kermes nur gespielt
Die Leidenschaft, mit der sich damals das Publikum entweder auf die Seite Bordonis oder Cuzzonis stellte, scheint im Vergleich zu heute bemerkenswert. „Es gibt jetzt vielleicht nicht mehr so viele im Publikum, die ganz genau beurteilen können, welcher Sänger besser ist. Aber auch wenn die Leute nicht unbedingt die Ahnung oder das Fachwissen haben – sie merken trotzdem, ob es ehrlich und mit einer gewissen Qualität vorgetragen wird. Das merke ich an der Reaktion des Publikums eigentlich immer. Man muss nach wie vor mit Leistung und Qualität überzeugen.“ Über Konkurrenz macht sich die gebürtige Leipzigerin allerdings keine großen Sorgen. „Ich spüre keinen großen Konkurrenzdruck. Es ist ja niemand so wie ich – und ich bin auch nicht wie jemand anderes.“