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Sommerreihe: Starke Frauen – Mélanie Hélène Bonis

Fast immer unter Pseudonym

Eigentlich erhielt Mel Bonis nur Musikunterricht, um ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt zu verbessern – und wurde dann doch Komponistin

vonElisa Reznicek,

„Ich hätte nie geglaubt, dass eine Frau fähig ist, so etwas zu schreiben. Sie kennt alle Tricks unseres Handwerks“, soll Camille Saint-Saëns mit einer Mischung aus Respekt und Verwunderung über Mélanie Hélène Bonis gesagt haben. In einer Zeit, in der das höchste der weiblichen Gefühle bitteschön das Leben als treue Ehefrau und aufopfernde Mutter zu sein hat, ist die 1858 in Paris geborene Komponistin eine Rarität – so selten sogar, dass sie die meisten ihrer an die 300 Werke unter dem geschlechtsneutralen Pseudonym „Mel Bonis“ veröffentlichen muss.

Mit musikalischem Wissen zum Ehemann

Das Klavierspielen bringt sich Bonis zunächst selbst bei. Zwar gibt es in der Rue Rambuteau ein Klavier – in ihrem streng katholischen, kleinbürgerlichen Elternhaus ist für Musik aber kein Platz. Trotzdem verbringt die kleine Mélanie Stunden am Instrument, bis ein Freund der Familie irgendwann ihr Talent entdeckt. Dass sie fortan Unterricht erhält, ist seinen Überredungskünsten geschuldet: Eine musikalische Grundbildung verbessere auf lange Sicht schließlich ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt.

Und noch ein Zufall spielt Bonis in die Karten. Ein weiterer Freund ihrer Eltern sorgt dafür, dass sie César Franck vorgestellt und 1876 am Pariser Konservatorium zugelassen wird. Bei Ernest Guiraud erhält sie Unterricht in Harmonielehre und Klavierbegleitung, später darf sie in die Komponistenklasse, der auch Claude Debussy angehört. Hier schlägt sie sich so gut, dass sie eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen bekommt und fast für den Prix de Rome vorgeschlagen wird.

Mélanie Hélène Bonis. Gemälde von Charles-Auguste Corbineau, 1885
Mélanie Hélène Bonis. Gemälde von Charles-Auguste Corbineau, 1885 © gemeinfrei

Alte Liebe rostet nicht

Dass es nicht soweit kommt, ist (zumindest indirekt) der Liebe zu Amédée Landély Hettich geschuldet, den sie in der Gesangsklasse kennen lernt. Er hält um die Hand Bonis’ an, doch die Eltern lehnen ab und drängen ihre Tochter zur Aufgabe des Studiums und einer Heirat mit Albert Domange. Der Witwer und mehrfache Vater (Mélanie schenkt ihm noch drei weitere Kinder) ist fast doppelt so alt wie die 25-Jährige und gut situiert. Fortan geht die Französin in ihren ehelichen Pflichten auf.

Erst als sie nach Jahren wieder auf Hettich trifft, dessen Gedichte sie auch vertont, sprühen die kreativen Funken, auch die einstige Liebe zwischen den Beiden entflammt erneut. Die aus der Liaison hervorgehende uneheliche Tochter erfährt erst mit zwanzig Jahren unter dramatischen Umständen von den Familienverhältnissen.

Vergessen und wiederentdeckt: Mélanie Hélène Bonis

In Bonis’ Oeuvre finden sich zahlreiche Werke für Klavier und Orgel, Kammermusik sowie Vokal- und Orchesterstücke – einige der eindringlichsten darunter entstanden zwischen 1900 und 1914. Qualitativ spielen sie in einer Liga mit Fauré, Saint-Saëns und Debussy. So kommt unter anderem der Schweizer Musikforscher und Kulturjournalist Walter Labhart angesichts „ihrer Mischung aus Formvollendung und zarter Expressivität, von instrumentaler Brillanz und fein abgestufter Klangkultur“ ins Schwärmen.

Die Werke gehören für ihn „zum Bedeutendsten … was kurz vor oder nach der Wende zum 20. Jahrhundert von komponierenden Frauen geschaffen wurde.“ Die schöpferische Leistung Bonis’ gerät nach ihrem Tod 1937 allerdings in Vergessenheit und erfährt erst langsam eine verdiente Renaissance.

Hören Sie hier „Berceuse op. 23 Nr. 1“ von Mélanie Hélène Bonis:

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