Sie ist so höflich, freundlich und bescheiden, wie es das Klischeebild einer asiatischen Künstlerin verheißt. Nicht ich müsse ihr danken für das Interview, das sie mir gerade im Büro ihres Labels gegeben hat, vielmehr fühle sie sich geehrt vom Interesse an ihrer Kunst, sagt Sunhae Im. Und tatsächlich klingt das bei ihr nicht nach höflicher Floskel, sondern aufrichtig.
Stipendium als Sprungbrett für die Karriere
Vielleicht auch deshalb, weil sie sich gerade als eine Sängerin entpuppt hat, die – in aller Höflichkeit – durchaus sagt, was sie denkt. Etwa über ihren Entschluss, in Karlsruhe zu studieren: Ursprünglich war die junge Südkoreanerin nämlich 1998 in Berlin – wo sie heute auch lebt – gelandet, ausgestattet mit einem Stipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst. Doch ihre Sorge, ob sie denn auch gut genug sei für das weitere Studium, erinnert sie sich, sei rasch von der Frage verdrängt worden: Welcher Lehrer ist gut für mich? Und den fand sie dann nicht in Berlin – das ihr damals überdies zu wenig Natur bot und zu sehr ans heimatliche Seoul erinnerte –, sondern in Roland Herrmann in Karlsruhe: einen, den sie respektieren konnte.
In Korea war Sunhae Im bereits mit europäischer Musik aufgewachsen: Ihre Mutter leitete einen Kirchenchor, in dem sie oft mitsang. Doch auch sonst sei die Beschäftigung mit klassischer Musik weit verbreitet in ihrer Heimat, erzählt die Sängerin: Fast zwei Drittel aller Kinder lernen Klavier spielen. Sie selbst führte die Liebe zum Lied zum Gesangsstudium und von dort nach Deutschland. Denn wer als Musiker Erfolg haben will in Korea, muss sich erst im Ausland beweisen – einer der entscheidenden Unterschiede zum Musikleben in Europa.
Auch einem René Jacobs begegnete sie selbstbewusst
Ihre eigentliche Karriere begann dann ganz klassisch: Als Einspringerin sang sie Mozart mit Philippe Herreweghe – und der nahm sie gleich zum nächsten Konzert mit. Und bereitete ihr damit den Weg zu all den anderen Größen der Alte Musik-Szene, mit denen sie seither gearbeitet hat: William Christie, der sie in die Aufführungspraxis der französischen Barockoper einführte. Oder René Jacobs, zu dessen Stammsängerinnen sie seit Jahren zählt. Ihre erste Begegnung mit ihm war typisch für Im in ihrer Mischung aus Zurückhaltung und Selbstbewusstsein: Die Königin der Nacht, die er eigentlich suchte, wollte sie nicht singen, aber ob sie ihm noch etwas anderes vorsingen dürfe? Sie durfte und singt seitdem regelmäßig in seinen Opernprojekten.
Was sie zu solch einer gefragten Solistin hat werden lassen? Die Sängerin selbst glaubt, dass es ihre Wandelbarkeit sei: Natürlich komme sie stets vorbereitet zur ersten Probe, aber wenn der Dirigent etwas anders haben wolle, habe sie stets auch andere Möglichkeiten parat. Eine Kreativität und Spontaneität, die sie ideal machen für die Alte Musik – und zur ersten Koreanerin, die es in diesem Bereich zu internationalem Ruhm gebracht hat. Was sich längst auch in der Heimat herumgesprochen hat: Anfang des Jahres 2015 durfte sie im koreanischen Fernsehen das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker moderieren. Ein erster Auftritt vor TV-Kameras, der ihr Spaß gemacht hat: Schließlich habe sie dabei auch viel über jene Musik lernen können, die sie selbst nicht singe. Und ohnehin sei es ja langweilig, sich ausschließlich mit Noten zu beschäftigen – vielmehr müsse man im Leben möglichst viele interessante Erfahrungen sammeln, um diese dann auch in die Musik einbringen zu können. Die Leitung eines Festivals daheim in Südkorea etwa würde sie interessieren – aber kein normales Opernfestival, sondern ein kleines mit seltenem Repertoire, kombiniert mit anderen Künsten wie Tanz oder Bildhauerei. Doch bis dahin wird erst einmal noch weiter gesungen.