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Porträt King’s Singers

Die ewige Boygroup

Seit Jahrzehnten behaupten die King’s Singers den Spitzenplatz in der internationalen A-cappella-Liga

vonChristoph Forsthoff,

Sie sind die älteste Boygroup der Welt – und doch scheinen die King’s Singers auf wundersame Weise nicht zu altern. So präsentieren sich auf ihrer Website fünf der sechs Sänger in geradezu jugendlicher Frische – und das bald ein halbes Jahrhundert nach Gründung des britischen A-cappella-Ensembles! Des Rätsels Lösung: Sukzessiver Wechsel – von der mirakulösen Gründerformation singt heute keiner mehr. Sänger sind eben nicht unbegrenzt haltbar …

Anders als das Erfolgsrezept: Geistvoll pointierte Renaissance-Madrigale kombiniert mit kaum gehörten Chören oder finnischen Liebesballaden – natürlich in der Originalsprache gesungen und punktgenau gewechselt zwischen Ein- und Mehrstimmigkeit, zwischen traumhaftem Piano und gekonnt ausgereizten dynamischen Steigerungen.

Den Schalk im Nacken und Mister Bean im Gesicht

Am meisten indes lieben die Fans die Könige des A-cappella-Gesangs, wenn die Briten sich dem musikalischen Humor widmen und solch Gesangszuckerl mit gestischem Understatement und Mimik à la Mister Bean darreichen: Hat doch ein jeder der sechs Vokalisten den Schalk im Nacken. Und so werden dann 500 Jahre Musikgeschichte von der Bach-Fuge bis zur Stockhausen-Dissonanz mal eben in zehn Minuten abgehandelt oder wird mit trockenem Witz die Crossover-Brücke von Billy Joel zum Volkslied geschlagen – „wenn Ihr Lieblingskomponist nicht dabei ist: Pech gehabt …“

Ein hintergründiger Blick, ein Anflug von Ironie in ihren deutschen Kommentaren: Die Lacher sind dem Sextett stets gewiss, die Andeutung eines Lächelns ist meist die Antwort im Mienen-Spiel der Briten.

Wie das Ohr des Zuhörers vor Langeweile bewahrt wird

Ein Humor, der den King’s denn nicht nur in ihren Konzerten, sondern auch in ihren Meisterkursen einen Zulauf beschert wie keinem anderen Ensemble – von Sänger-Kollegen wie von Zuhörern. Kann doch in solch anregenden Unterrichtsstunden selbst der Laie lernen, worauf es den Briten ankommt und was letztlich auch das Geheimnis ihres Erfolgs ausmacht: gemeinsames Atmen, saubere Intonation, sorgfältige Textbehandlung und ausgeprägte dynamische Kontraste. Und natürlich das Pyramiden-Ideal, das Bariton Christopher Gabbitas nicht müde wird zu erklären: „Wir mögen einen Ensemble-Sound, bei dem sich die hohen Stimmen auf ein sattes Fundament der Bässe setzen können.“

Erst dann sei die klangliche Vielfalt, der ganz bewusste Umgang mit Farben möglich – herausragende Markenzeichen dieser Vokalistengarde. Wie jedes andere Organ ermüde nämlich auch das Zuhörer-Ohr, wenn es zu lange auf dieselbe Art beansprucht werde, so Gabbitas: „Man sollte darum immer versuchen, eine möglichst breite Palette zu nutzen – sonst wird es auf Dauer langweilig.“

God save the … King’s!

Ein Stimmungszustand, der allerdings für die Auftritte der ewigen Boygroup kaum vorstellbar ist: Schließlich haben die King’s Singers schon in ihren allerersten Formationen realisiert, dass Intonationsreinheit, Legatotechnik und Gleichklang keinesfalls alles sind, sondern auch Mimik und Körperhaltung einen großen Einfluss auf die Wirkung eines Werkes haben. Ein Wissen und Bewusstsein, das ihre „Nachfolger“ bis heute gern weitergeben: „Wenn es eine schwierige Stelle oder Fehler gibt, lasst es euch niemals anmerken – das Publikum will sich wohlfühlen.“ Und so legen die drei (Counter-)Tenöre, die beiden Baritone und Bass Jonathan Howard bei ihren Konzerten wie auch in ihren Kursen großen Wert auf das Thema Bühnenpräsenz und den entsprechenden Auftritt: Wer ein Halleluja anstimmt, dessen Augen sollten eben nicht traurig dreinblicken, sondern vor Freude funkeln! So wie die Blicke der King’s – übrigens auch auf dem grünen Rasen: Dem runden Leder gilt nämlich die zweite große Liebe der tönenden Sympathieträger von der Insel. Und auch hier singen, pardon, spielen die Sänger in der Künstler-Liga ganz vorn mit. Ihr einziges Leid in dieser Hinsicht: Während sie selbst weltweit unangefochten den Spitzenplatz im A-cappella-Gesang behaupten, liegt der letzte große internationale Erfolg ihrer kickenden Landsleute mittlerweile fast ein halbes Jahrhundert zurück. In diesem Sinne: God save the King’s Singers!

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