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Porträt Thibaut Garcia

Kein Plan B

Sowohl mit den Klassikern als auch mit unbekannterem Repertoire will Thibaut Garcia sein Publikum von der Gitarre überzeugen – mit Erfolg.

vonIrem Çatı,

Bevor Thibaut Garcia die Konzertsäle erobert hat, zählten Gitarrenkonzerte eher zur Seltenheit auf den Spielplänen der Veranstalter. Heute sind er und sein Instrument gern gesehene Gäste im Théâtre des Champs-Élysées Paris, dem Concertgbouw in Amsterdam oder der Londoner Wigmore Hall. Den Weg dahin hat sich der heute 27-Jährige mit viel Fleiß, Ausdauer und einer großen Leidenschaft für die Gitarre erarbeitet. Schon früh kam er durch seine Eltern mit dem Instrument in Berührung. „Meine Eltern haben Gitarre gespielt, und schon mit fünf Jahren wollte ich es ihnen gleichtun. Zwei Jahre später haben sie mir meinen Wunsch dann erfüllt, mir eine kleine halbe Gitarre gekauft und mich in der Musikschule angemeldet.“ Weil er da noch zu klein war und mit den Füßen nicht auf den Boden kam, hat er immer einen eigenen höhenverstellbaren Stuhl mit sich getragen.

Der Gedanke, einen Schritt weiter zu gehen, kam aber erst, als sein Gitarrenlehrer vom Pariser Konservatorium gesprochen hat. „Er hat mir erzählt, dass man dort Gitarre studieren und professioneller Musiker werden kann. Seitdem ist die Idee in meinem Kopf gewachsen, und mit sechzehn habe ich dann gesagt: ,Go!‘ Ich hatte keinen Plan B“, erzählt er. Als die Zusage aus Paris kam, war die Aufregung groß. Ist es ihm schwergefallen, seine Familie in so jungen Jahren zu verlassen und von Toulouse in die 700 Kilometer entfernte französische Hauptstadt zu ziehen? Nein, betont er. „Meine Familie und mein Lehrer haben sich sehr für mich gefreut und waren glücklich darüber, dass ich einen Platz am Konservatorium bekommen habe.“ Überhaupt spielt die Familie im Leben von Thibaut Garcia eine wichtige Rolle. Nicht nur haben seine Eltern ihn zum Gitarrenspiel inspiriert, sie haben auch seine musikalische Sprache geprägt. „Bei uns wurde immer nur akustische Gitarre gespielt, entweder klassische Stücke oder spanische. Nie aber Rock, Metal oder Folk.“ Gefehlt habe ihm das aber nicht. „Ich wollte nie etwas anderes machen! Ich höre sehr gerne Rockmusik, aber ich spiele sie nicht.“

Aber zurück nach Paris: Dort traf der Gitarrist nicht nur auf seinen Lehrer Olivier Chassain, sondern erhielt auch prägende Einflüsse von Judicaël Perroy. „Er ist ein unglaublicher Lehrer, der sich auf eine Art und Weise auf die Bedürfnisse seiner Schüler einstellen kann, die einzigartig ist“, schwärmt er. Perroy habe nicht versucht, den Studenten seine Sicht- und Spielweise aufzudrängen, stattdessen habe er erkannt, was ihre Stärken und Schwächen sind, und sie in diesen ermutigt beziehungsweise sensibilisiert und gestärkt. Kein Wunder, dass der Erfolg nicht lange auf sich warten ließ: Nach mehreren erfolgreichen Teilnahmen an Wettbewerben gewann Thibaut Garcia 2015 den ersten Preis bei der Guitar Foundation of America. Ein Meilenstein in seiner jungen Karriere: „Alles hat sich verändert. Ich hatte dank einiger Wettbewerbe davor schon Auftritte, aber mit der Guitar Foundation habe ich innerhalb von sechs Monaten ganze sechzig Konzerte in den USA gegeben. Das war eine der größten Erfahrungen, die ich je gemacht habe.“

Thibaut Garcia
Thibaut Garcia 2019
Photo: Marco Borggreve

Immer mehr Wertschätzung

Seitdem zählt Thibaut Garcia nicht nur zu den erfolgreichsten Gitarren-Solisten, er setzt sich auch sehr für die Anerkennung und Wertschätzung seines Instruments in der Klassikwelt ein. So zeigt er seinem Publikum auf seinen Alben die Breite des Gitarren-Repertoires – das bei ihm selbst vom Barock über die Klassik und Romantik bis hin zur zeitgenössischen Musik reicht. Ein wichtiger Meilenstein dafür war aber auch die Gründung seines Festivals Toulouse Guitar, das er gemeinsam mit seinen Eltern in seiner Heimatstadt veranstaltet und dessen künstlerischer Leiter er ist. Jedes Jahr laden die Garcias dafür zu fünf Gitarrenkonzerten mit renommierten Künstlern aus aller Welt ein. Ein besonderer Fokus liegt dabei auch darauf, das Publikum für die Veranstaltungen zu begeistern. „Ich habe festgestellt, dass wir nicht darauf warten können, dass die Menschen von allein zu unseren Konzerten kommen. Wir müssen sie dafür sensibilisieren, sie in unsere Projekte miteinbeziehen und so ihr Vertrauen gewinnen“, erklärt er. Ein großer Gewinn für die Stadt, denn das Angebot sei dort vorher so gering gewesen, dass er in seinen sechzehn Jahren in Toulouse gerade einmal ein Gitarrenkonzert habe besuchen können, so der Musiker. Mittlerweile gebe es in seiner Heimatstadt auch viel mehr Gitarrenschüler, die eine ernsthafte Karriere anstreben und es von dort an Hochschulen in Paris, Sevilla oder Brüssel schaffen. Das Problem mit der Gitarre sei, dass sie weder ausschließlich klassisch noch ausschließlich in der populären Musik angesiedelt und daher schwer einzuordnen sei. Dennoch habe sich vor allem beim Thema Repertoire in den letzten Jahren viel getan.

Davon zeugt auch seine Auszeichnung beim wichtigsten französischen Musikpreis. 2019 durfte Thibaut Garcia die Trophäe in der Kategorie „Instrumental Revelation“ bei den Victoires de la Musique nach Hause nehmen. Bis heute ist das nicht selbstverständlich für ihn. „Das war ein großer Moment, der vieles verändert hat. Er war ein Symbol für die Wertschätzung der Gitarre in der klassischen Musik. Vor allem weil in der Jury kein einziger Gitarrist saß.“ Es war gleichzeitig ein Moment, der ihm viele Türen geöffnet und ihm die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Sopranistin Elsa Dreisig, Popsänger Mika und ganz aktuell Philippe Jaroussky ermöglicht hat. Als Letzterer ihn persönlich angerufen hat, konnte Thibaut Garcia sein Glück kaum fassen. „Es hat musikalisch und menschlich zwischen uns gefunkt“, erzählt er begeistert.

Es scheint, als habe Thibaut Garcia mit 27 Jahren schon alles erreicht, doch mit seinem Eifer, seiner Leidenschaft und Mission wird er es bestimmt schaffen, noch weiter zu kommen. Eine weitere Liebe hegt der Musiker übrigens auch, und zwar für Fußball. „Als ich klein war, hatte ich keine Lust zu laufen, deswegen habe ich gefragt, ob ich im Tor stehen kann“, lacht er. Später hat er aber doch noch die Position gewechselt. Daneben steht er leidenschaftlich gerne in der Küche. „Ich backe auch Kuchen, meine Spezialität ist aber die Nachspeise Paris-Brest!“ Klingt fast, als gebe es doch noch einen Plan B.

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