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Porträt Titus Engel

Im Dialog

Dirigent Titus Engel beobachtete in frühen Berufsjahren den Grabenkampf zwischen Dirigenten und Regisseuren. Doch in seinen Augen ist dies vor allem ein Problem falscher Kommunikation.

vonMatthias Nöther,

Studium der Philosophie und Musikwissenschaft. Titus Engel hat dies einst in Berlin, wo er heute noch lebt, zusätzlich absolviert, während er Musik studierte und mit Assistenzen bei erfahrenen Dirigenten erste Erfahrungen im Opern- und Konzertbetrieb machte.

Seit Titus Engel nicht mehr selbst um neue Projektgelder für ungewöhnliche Opernproduktionen kämpfen muss, sondern meist direkt angefragt wird, weiß er sein einstiges geisteswissenschaftliches Studium zu schätzen: „Ich liebe es, mich dann in die neue Welt hineinzudenken, in die ich durch so eine solche Anfrage gestoßen wurde. Im Fall von ‚Boris Godunow‘ in Stuttgart etwa durfte ich mich dann mit russischer Geschichte auseinandersetzen, mit Puschkin. Die Partitur ist das Zentrum meiner Arbeit, aber ich gehe auch immer gerne in die historischen und kulturellen Schichten. Das war schon damals so, deshalb wollte ich nicht nur Musik studieren.“

Bedürfnis nach künstlerischer Demokratie

Als junger Assistent beobachtete Engel vor etwa zwanzig Jahren erstmals die Entwicklung im Opernbetrieb. Solche Opernregie, die neue, ungewohnte Dinge aus Repertoirestücken wie „Zauberflöte“ und „Aida“ herauslas, war nun nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Fast einen „Grabenkampf“ zwischen Dirigenten und Regisseuren beobachtete der heute 46-Jährige Schweizer damals vom Klavier des Korrepetitors aus. „Man dachte oft nicht gut voneinander: Den Regieführenden wurde von den Musikern nachgesagt, sie seien meistens gegen das Stück und wollten es zerstören. Die Dirigenten wiederum standen bei Theaterleuten in dem Ruf, gar nicht künstlerisch interessiert zu sein und nur ihre heilige Partitur schützen zu wollen.“

Titus Engels Bedürfnis nach „demokratischer“ künstlerischer Zusammenarbeit, sagt er heute, wurde hier geweckt. Wie es anders ging, lernte Titus Engel bei seinem Mentor Gerard Mortier, dem visionären Musiktheater-Intendanten in Brüssel, Salzburg und Bochum: „Der hat im Vorhinein alle Beteiligten einer Opernproduktion zum Essen und Champagnertrinken eingeladen – und erstmal eine Atmosphäre geschaffen. Da ging es nicht immer um ein konkretes Projekt. Man hat Gemeinsamkeiten in seinen Biografien ausgelotet und Schnittpunkte. Und ab da hat man regelmäßig miteinander gesprochen.“

Kleine Reibereien gibt es immer

Titus Engel
Titus Engel

Diese Strategie der künstlerischen Kommunikation traf bei Titus Engel auf offene Ohren: Bereits als Schüler in Zürich wurde er Zeuge einer solchen Zusammenarbeit zwischen szenisch und musikalisch Verantwortlichen, genauer: zwischen Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle, die damals für ihren legendären Monteverdi-Zyklus stets „Backe an Backe“ auf der Probebühne gesessen hätten. Titus Engel probierte diese Art der Opernarbeit später als junger Dirigent vor allem mit dem gleichaltrigen Regisseur Andreas Bode aus: Auf Kampnagel in Hamburg erschienen seit Mitte der Nullerjahre von dem Künstlerduo etliche provokante Auslegungen von Repertoirestücken wie „Freischütz“, „Don Giovanni“ und anderen – in einer von Titus Engel eingerichteten Kammermusik-Besetzung.

Wie mit Andreas Bode hält es Engel auch bei seiner Arbeit an großen Opernhäusern: früh mit den szenisch Verantwortlichen ins Gespräch kommen. „Schließlich wird man ja zwei Jahre im Voraus angefragt – die Zeit ist also da!“ Denn Anlässe für Reibereien gibt es immer, sie müssen nur entschärft werden: „Eine Arie, in der Liebe besungen wird. Der Regisseur sagt: Für mich ist die Liebe nicht echt. Aber die Musik ist eindeutig und sagt das Gegenteil. Da habe ich natürlich ein Problem, wenn ich dem Sänger sage als Dirigent: Sing es verliebt, mit großer emotionaler Geste. Und der Regisseur sagt aber: nein, mit verlogener Geste. Ich versuche dann, das immer auszudiskutieren: entweder dass ich den Ansatz des Regisseurs verstehe, oder den Regisseur auf meine Seite ziehe.“ Bleibt zu hoffen, dass sich dies in Zukunft für Dirigenten noch häufiger als Arbeitsansatz herausschält.

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