Der Schalk blitzt Vadim Gluzman aus den Augen. Keine Spur von Entrücktheit eines sich überirdisch gebenden Künstlers findet sich in seinem freundlichen runden Gesicht – nein, der israelische Geiger mit ukrainisch-russischen Wurzeln hat trotz aller Erfolge die Bodenhaftung nicht verloren, betrachtet seinen Beruf mit einer geradezu erfrischenden Selbstironie. Der Frage nach dem Rezept für eine internationale Karriere begegnet der Musiker mit einem Lächeln: „Wie das geht? Auf und ab und auf und ab.“ Dabei gilt Gluzman längst nicht mehr als Geheimtipp, finden sich unter den internationalen Orchestern, mit denen er auftritt, ebenso klangvolle wie renommierte Namen.
Uraufführungen auf dem Weg nach oben
Vadim Gluzman geht nicht die einfachsten Wege – liegt doch das Repertoire des 20. Jahrhunderts dem Geiger besonders am Herzen. Uraufführungen von Giya Kantscheli, Lera Auerbach und Sofia Gubaidulina haben Gluzman weltweit bekannt gemacht – seine Prokofjew-Einspielungen indes gelten inzwischen sogar als Referenzaufnahmen, die Sonaten bekamen gleich fünf Diapasons d’Or. „Ich mag zeitgenössische Musik, weil ich überhaupt das Neue schätze“, skizziert der Geiger seine Vorlieben. „Sie können nicht nur Fleisch oder nur Eiskrem essen – auch beim Repertoire brauchen Sie eine Balance.“
Eine Aussage, die beileibe kein bloßes Lippenbekenntnis ist. In Chicago, wo Gluzman mit seiner zehnjährigen Tochter und seiner Lebens- wie Klavierpartnerin Angela Yoffe lebt, hat der Künstler eine eigene Kammermusikreihe ins Leben gerufen, deren Programm von Bach bis Auerbach reicht. Das Resultat: „Ich habe Menschen gesehen, die hinausgingen und weinten.“ Man dürfe das Publikum nicht unterschätzen, gerade die Labels wie auch die Veranstalter hätten hier eine Verantwortung, denn ohne Programmpräsenz gebe es natürlich auch keine Nachfrage nach Neuer Musik. Doch ebenso wichtig sei die musische Bildung: „Wer das angeblich Unnötige nicht kennen und schätzen lernt, dem kann man es irgendwann ganz leicht wegsparen“, warnt er. „Doch ich bin von Natur aus naiv und habe Hoffnung.“
Geboren in der ehemaligen Sowjetunion als Sohn zweier Musiker, kam er selbst dereinst nicht zuletzt aus kindlicher Eifersucht zur Geige: „Ich fragte, warum sie ständig andere unterrichteten und nicht mich.“ Jedoch entschieden sich die Eltern, ihren Jungen auf eine Spezialschule zu schicken. Was den jungen Vadim aus lauter Wut erst einmal zum „Hooligan“ werden ließ: „Gleich am ersten Tag auf der Musikschule schmiss ich mit einem Fußball die Scheiben ein – der Ball landete direkt auf dem Schreibtisch des Direktors …“ Gluzman schmunzelt. Schwer zu sagen, ob der Mann diese Geschichte gerade erfunden hat.
Aus der Sowjetunion über Israel an die Juilliard School
Verbürgt ist hingegen, dass er 1990 mit seinen Eltern nach Israel emigrierte, Isaac Stern traf und auf dessen Fürsprache hin an der Juilliard School studieren konnte. Ein Glücksfall, der seinen Grundoptimismus ebenso genährt hat wie jener, von der Stradivari-Gesellschaft in Chicago eine wertvolle Geige geliehen zu bekommen. „Was ich nicht wusste, war, dass Itzhak Perlman auf diesem Instrument all seine berühmten Aufnahmen gemacht hatte.“ Entsprechend emotional ist sein Verhältnis zu diesem „Werkzeug“, wie Gluzman selbst die alte Violine nennt. „Hölzer haben Stimmungen, die Geige mag zum Beispiel keine Regentage. Und wenn ich ihr zu viel rohes Repertoire zumute, brauchen wir beide eine Pause“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Und fügt ganz ernsthaft hinzu: „Ich habe viel von ihr gelernt, und sie hat mich auch verändert.“