Auf den ersten Blick könnte man sie für ein Top-Model halten, doch der „Babe“-Look, den ihr der britische Boulevard attestierte, täuscht: Wenn sie auf ihrer „Earl Spencer“-Stradivari zu spielen beginnt, kommt ein weiblicher Paganini zum Vorschein. Die 1987 geborene Nicola Benedetti ist vielleicht eine der bemerkenswertesten Weltklasse-Geigerinnen ihrer Generation. Als „außergewöhnlich und risikofreudig“ charakterisierte eine Kritikerin der „Times“ schon früh Benedettis furioses, energiegeladenes Spiel.
Mit zehn Jahren wurde sie an der Yehudi Menuhin School aufgenommen. Mit 17 spielte sie bei den „BBC Young Musician of the Year“ das Violinkonzert von Karol Szymanowski, gewann den Wettbewerb und wurde über Nacht berühmt. Seither hat Benedetti auf den Konzertpodien der Welt immer wieder für Raritäten, aber auch für die Neue Musik eine Lanze gebrochen.
Berühmt werden ohne etwas zu können? Unvorstellbar!
Bei Wynton Marsalis studierte sie Jazz, tauchte parallel aber auch in die historische Aufführungspraxis ein. Mit ihren CDs stürmt sie nicht nur die Klassik-, sondern auch die Pop-Charts. Ihre Mission: Die Klassik aus dem elitären Elfenbeinturm zu befreien.
Ihr großes Können hat sich die Tochter italienisch-schottischer Eltern mit eiserner Disziplin erarbeitet. Deshalb geht ihr jegliches Verständnis ab für die Flut an Youtube-Sternchen, die auf sozialen Netzwerken fleißig die banalsten Selbstdarstellungen jeglicher Art posten. Berühmt zu werden, ohne etwas zu können? Für die Violinistin unvorstellbar. Und das vermittelt sie auch den Kids in ihrer 2013 gegründeten „Benedetti Session“. Mit dem Workshop-Programm führt sie Kinder und Jugendliche an die ach so hehre Klassik heran, probt mit ihnen und gibt für die Fortgeschrittenen bis zum gemeinsamen Konzert auch Meisterklassen.
Nicola Benedetti engagiert sich als „große Schwester“
An jeder Session nehmen 50 bis 300 Kinder aus allen sozialen Schichten teil. Mit dem daraus entstandenen Jugendorchester trat sie sogar schon bei den Proms in der Londoner Royal Albert Hall auf. Für die jungen Musikerinnen und Musiker ohne Frage ein ganz besonderes Erlebnis, das ihnen Selbstvertrauen schenkt. Und genau das ist das Ziel der Violinistin. Gar nicht zu reden davon, dass die Kids ganz nebenbei Disziplin, Konzentrations- und Teamfähigkeit lernen, Sekundärtugenden, die für ihr späteres Leben relevant sind.
Doch damit nicht genug: Nicola Benedetti engagiert sich darüber hinaus als „große Schwester“ im schottischen Ableger von „El Sistema“, der musikalischen Graswurzelbewegung aus Venezuela. „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ – das geflügelte Nietzsche-Wort lebt Nicola Benedetti mit Passion. Und sie möchte ihre große Liebe teilen und mitteilen. Wie aufregend das unvergleichliche Live-Erlebnis der Musik ist, das möchte sie dem Nachwuchs vermitteln. Konsequenterweise steht in ihrem Londoner Apartment kein Fernseher. Nicht von ungefähr wurde sie kürzlich besonders für ihr soziales Engagement mit der „Queen’s Medal for Music“ ausgezeichnet.
Den musikalischen Nachwuchs stets im Blick
Nicola Benedetti ist also in doppelter Hinsicht eine gute Wahl des Gürzenich-Orchesters, mit dem sie nun zwei Konzerte gibt. Denn das Orchester arbeitet schon seit Längerem mit der von Lars Vogt ins Leben gerufenen Initiative „Rhapsody in School“ zusammen, die junge Klassikstars an Schulen bringt – eben ganz im Sinne jener Violinistin, der es so sehr am Herzen liegt, die junge Generation für klassische Musik zu begeistern.
Nicola Benedetti spielt Beethoven:
concerti-Tipp:
Konzert mit Nicola Benedetti
So. 10.12., 11:00 Uhr, Mo. 11. & Di. 12.12., 20:00 Uhr
Mit: Nicola Benedetti (Violine), Gürzenich-Orchester Köln, Karl-Heinz Steffens (Leitung)
Ort: Philharmonie Köln