Sie steht ganz allein in einem Kubus aus Lichtstrahlen. Um sie herum das Publikum auf niedrigen Hockern, umschlossen von einem Kreis aus 72 Lautsprechern. Für die norwegische Sopranistin Eir Inderhaug ist die Inszenierung von Becketts und Feldmans Opernexperiment „Neither“ sicher eines der merkwürdigsten Bühnenerlebnisse ihrer Karriere: „Ich bin sehr allein in dieser Produktion – es gibt nur mich und die Lautsprecher. Wenn ich mit einem Orchester arbeite, kann ich die Musiker normalerweise sehen, sie atmen, da sitzen Menschen. Hier habe ich das nicht.“
Mitte der 1970er Jahre besuchte der amerikanische Komponist Morton Feldman den irischen Schriftsteller Samuel Beckett in Berlin, wo jener gerade am Schiller Theater inszenierte. Feldman plante ein Werk für das römische Opernhaus, für das Libretto wollte er Beckett gewinnen, einen Mann, dessen Texte zwar oft für Vertonungen verwendet wurden, der die Oper als Kunstform jedoch rundheraus ablehnte – wie auch Feldman selbst. Erst Monate später ließ Beckett sich doch überreden und schickte eine Postkarte mit 87 Wörtern – das Libretto für „Neither“, ein Werk ohne konkrete Figuren oder gar eine Handlung, der Monolog eines orientierungslosen Ich im Niemandsland, im „Neither“: „to and fro in shadow from inner to outer shadow“, „hin und her im Schatten von innerem zu äußerem Schatten“. Feldman seinerseits verfasste dazu eine schwebende, körperlose Musik, die mit einer Opernpartitur im herkömmlichen Sinne wenig gemein hat. Kein Stück, mit dem sich die Massen locken lassen – seit seiner Uraufführung 1977 in Rom ist „Neither“ selten gespielt worden.
Das Berliner Künstlernetzwerk „phase 7 performing.arts“ hat sich nun des Stoffes angenommen und ihn mit einer neuartigen musikalischen Technik bearbeitet – als „3D-Oper“: Bei der „Wellenfeldsynthese“ werden die Instrumente aus dem von Feldman geplanten Kammerorchester jeweils elektronisch nachgebildet und separat von je einem Lautsprecher abgespielt. Während der Aufführung allerdings wechseln die einzelnen Stimmen mehrfach ihren Standort: Eben noch scheint die Flöte von vorn zu kommen, plötzlich erklingt sie von rechts, während eine Geige ihren Platz eingenommen hat. Regisseur Sven Sören Beyer kann mit Hilfe dieser Technik akustisch einen Raum erschaffen, das „Neither“, in dem nichts sicher ist und sich alles ständig verändert: „Insbesondere die Abwesenheit einer textlichen Ebene, die Personen zugeordnet ist und Handlungen kreiert, und auch diese sehr mathematische Komposition, die eigentlich eher graphisch zu verstehen ist, gibt uns viele Möglichkeiten, das mit einer solchen Technologie neu zu interpretieren.“