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Porträt Xavier de Maistre

Zu schön, um nur Model zu sein

Xavier de Maistre hat die Harfe aus der Klischeeecke befreit und lässt ihre Saiten nun in aller Welt singen

vonChristian Schmidt,

Schon der Name lässt aufhorchen: Stammt doch Xavier aus der Familie de Maistre, einem südfranzösischen Adelsgeschlecht aus der Nähe von Toulon. Doch nicht nur deshalb ist der Mann in der Klassikbranche zur Projektionsfigur für vielfältigste Sehnsüchte avanciert: Xavier de Maistre sieht einfach verdammt gut aus, ein wahrer Beau, schnittig, sportlich, feinsinnig, dessen bloße Präsenz viele Herzen schneller schlagen lässt.

Und dann ist da ja auch noch jene hübsche Geschichte, die der Musiker immer wieder gern erzählt: Wie er sich als Neunjähriger in seine Lehrerin verliebte, die zufällig Harfe unterrichtete … fast zu schön, um wahr zu sein. Und als wäre das noch nicht genug des wunderbaren Stoffes für unser Medienzeitalter, war de Maistre auch noch Ruderer in der französischen Nationalmannschaft, studierte neben der Harfe Jura, Politik- und Wirtschaftswissenschaften und erlernte das Bankgewerbe: Womit der Franzose zu einem jener Mysterien avanciert ist, nach denen es die moderne Welt dürstet.

Wahrlich ein Idol – und das im besten Sinne. Denn de ­Maistre erfüllt zwar rein äußerlich viele Klischees, doch der Familienvater macht sie sich nicht zu eigen. Er will nur spielen – buchstäblich und sprichwörtlich. Womit er sich einreiht in die Riege jener neuen Pragmatiker unter den Musikern, die die medialen Gesetzmäßigkeiten so weit akzeptieren, wie es ihrer Musik dient. Indes beginnt ihm das Klischee des Schönlings spätestens dann auf die Nerven zu gehen, wenn er das Gefühl hat, nur als Abziehbild, nicht aber als Harfenist ernst genommen zu werden.

Natürlich trägt sein Model-Antlitz nicht unwesentlich zum blendenden Verkaufserfolg seiner Solo-Alben bei – und doch hat der schöne Mann bei all dem nie seine Mission aus den Augen verloren: seinem Instrument Gehör zu verschaffen, auf dass das Publikum und so auch er selbst glücklich werde. 

„Die Fähigkeit, Trauer, Leidenschaft und Freude zu teilen, ist keine rhetorische Hülse, ich habe mit Abstand den schönsten Beruf“, schwärmt de Maistre denn auch. „Wenn 2000 Menschen im Saal den Atem anhalten, dann ist das durch nichts zu ersetzen.“ Die Einsamkeit von CD-Aufnahmen ist dagegen so gar nicht seine Sache: „Ich brauche die Interaktion mit dem Publikum. Die Qualität von Stille hat im Konzert ja auch eine ganz andere Intensität als im Wald, wenn Sie allein sind.“

Instrument höherer Bürgertöchter zum Totzupfen der Zeit

Das Geheimnis dieser Intensität liege bei der Harfe in ihrer extremen Dynamik: „Mit vierfachem Piano bringe ich die ans Laute gewöhnten Leute auch in einem großen Saal zum Zuhören – und berühre sie“, sagt er selbstbewusst – und in einwandfreiem Deutsch. Immerhin war er zehn Jahre Soloharfenist bei den Wiener Philharmonikern: eine Traumstelle, die er mit 24 bekam und dann für eine Solokarriere mit zunächst ungewissem Ausgang aufgab. Bereut hat er diesen mutigen Schritt dennoch nicht einen Moment: „Ich war nie der Orchestermensch, der die längste Zeit mit Warten auf den kleinen Einsatz verbringt. Das Leben, was ich jetzt führe, entspricht meinem Temperament.“

Doch wie schwer ist es, als Künstler und nicht als Kuriosum anerkannt zu werden? Immerhin galt die Harfe seit jeher ja eher als Instrument höherer Bürgertöchter zum Totzupfen der Zeit und nicht als Soloinstrument, mehr belächelt denn ernstgenommen. „Am Anfang war das schwierig: Auf dich hat niemand gewartet, sagte man mir – aber wenn die Leute dann einmal im Konzert waren, hatte sich das Vorurteil erledigt.“ Wohl auch, weil sich de Maistre, seit er 1998 den wichtigsten Harfenwettbewerb gewann, es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich als ganzheitlichen Musiker auf der Suche nach neuen Klangfarben zu betrachten. Jemand, der die Harfe zum Singen bringt.

Um das übersichtliche Repertoire für sein Instrument zu erweitern, transkribiert er viel, schreibt Fingersätze, passt andere Sololiteratur an wie für seine jüngste Solo-Aufnahme Smetanas Moldau und weitere romantische Gassenhauer. Und überzeugt namhafte Komponisten zu neuer Harfenmusik: So hob er 2015 Pendereckis Solokonzert aus der Taufe, und auch Kaija Saariaho hat bereits ihren Erstling zugesagt. „Da eröffnen sich Möglichkeiten, von denen ich kaum zu träumen wagte.“ Zweifellos, dieser Mann hat noch viel vor – jenseits der Klischees.

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