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Spielstätten-Porträt Villa Teresa

Zwischen Elbblick und Telegrafenamt

Coswig bei Dresden verfügt mit der Villa Teresa als Zufluchtsort Eugen d`Alberts über ein weithin noch unbekanntes Kleinod

vonChristian Schmidt,

Dieser riesige, baumbestandene, idyllische Garten muss ein idealer Ort zum Komponieren gewesen sein: Hinter sich die Villa, nach der Pianistin Teresa Carreño benannt, seiner zweiten Frau, vor sich die gemächlich dahinfließende Elbe mit ihren malerischen Inseln. In völliger Ruhe verbrachte Eugen d’Albert, einst Wunderkind, vielsprachiger Kosmopolit und Schöpfer der deutschen Verismo-Oper Tiefland, fünf glückliche Jahre in Kötitz, einem inzwischen zu Coswig bei Dresden gehörenden kleinen Fischerdorf direkt am Strand. Der Ort war ideal gewählt: obschon abgeschieden, verfügte er über einen überregional erreichbaren Bahnhof und ein Telegrafenamt. Direkt unterhalb der Radebeuler Weinhänge ließ sich d’Albert ein Komponierhäuschen wie dereinst Gustav Mahler bauen und genoss die Nähe zur Residenzstadt. Hier erhoffte sich der in Glasgow geborene wohl beste Pianist seiner Zeit künstlerische Erfolge als Komponist, die sich allerdings nur spärlich einstellten.

Vom Familienhaus zum Konzertsaal und Hochzeitsort

 

Die Ehe hielt nicht lange: Weder d’Albert noch seine gefeierte Gattin waren zimperlich in der Wahl ihrer Partner, beide waren mehrfach verheiratet. D’Albert, der sich wohl eher nach einem wohlmeinenden Heimchen am Herd gesehnt hatte, fühlte sich von der elf Jahre älteren und einen Kopf größeren Starpianistin überfordert und verließ sie am Wochenbett. Auch die zuletzt fünf Kinder aus unterschiedlichen Bindungen, nach heutigen Maßstäben in einer Patchworkfamilie aufwachsend, konnten die verblasste Ehe nicht retten, so dass das herrliche Haus, das Teresa Carreño stets als Heimat in Erinnerung behielt, wieder prosaischeren Eigentümern zufiel und schließlich in städtischen Besitz überging.

 

Zu DDR-Zeiten als Mehrfamilienhaus verfallen, konnte die Villa zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder hergerichtet werden. Die Stadt Coswig richtete zu Ehren des berühmten Künstlerehepaars eine Gedenkstätte und einen Kammermusiksaal ein, der wirklich etwas Kammerliches hat, denn in das Musizierzimmer mit seinen Lüstern und Holzvertäfelungen passen nur etwa 80 Menschen hinein. Eine städtische Betriebs-GmbH bewirtschaftet das Gebäude und finanziert ihre Konzerte durch Einmietungen und Hochzeiten quer.

 

So kommt es, dass sich mit der Zeit die Villa Teresa nicht nur beim inzwischen von fernher anreisenden Publikum einen Namen erwarb, sondern vor allem bei einer illustren Künstlerschar, die das Anwesen vor allem seiner familiären Intimität wegen sehr schätzt. 

 

Hochkarätige Künstler in intimer Atmosphäre

 

Wenn im Kammermusiksaal die Kerze angezündet und der Flügel geöffnet wird, sehen sich Musiker, Schauspieler und Gäste direkt in die Augen, es entsteht eine Bindung, die in großen Sälen illusorisch bleibt. Ob Ragna Schirmer oder Boris Giltburg, Jan Vogler oder Peter Bruns, Sharon Kam oder das Mandelring Quartett – sie alle sorgten schon für große Konzerterlebnisse im kleinen Elbefischerdorf Kötitz. 

 

Berühmte Schauspieler kommen zum Tee, Sänger wie Thomas Hampson stellen ihre Bücher vor, und musikalische Porträtgespräche mit erstklassigen Namen wie Helen Donath, Christian Thielemann oder Harry Kupfer runden das Programm ab. Die großen Künstler lassen am Elbufer gern ihre professionellen Masken fallen und laufen zu kommunikativer Hochform auf. Dann kann man erahnen, wie es einst zuging in den Künstlersalons des Fin de Siècle.

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