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Porträt Antoine Tamestit

Die Bratsche und der süße Zahn

Angefangen hat Antoine Tamestit mit der Geige. Als der Franzose dann zum Cello wechseln wollte, riet ihm seine Lehrerin zur Viola

vonStefanie Paul,

Zuerst knistert es kurz in der Leitung. Dann sind ein paar dumpfe Klingeltöne zu hören – vier, fünf Mal, typisch für ein Auslandsgespräch. Schließlich wird am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen und eine freundliche, gut gelaunte Stimme meldet sich: „Hello“. Es ist die Stimme von Antoine Tamestit, einem der besten Bratschisten unserer Zeit. Doch wer mit ihm telefoniert, bekommt schon nach wenigen Sekunden das Gefühl, nicht einen unnahbaren oder zurückhaltenden Weltstar zu interviewen. Sondern eher mit einem guten, alten Freund zu plaudern, den man einfach schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hat.

Antoine Tamestit ist zu Hause, in Paris, seiner Geburtsstadt. Seit einiger Zeit ist es auch wieder seine Heimatstadt. Denn nach Jahren im Ausland hat er die Metropole an der Seine neu entdeckt. „Als ich damals wieder aus den USA zurückkam, habe ich mich hier wie ein Tourist gefühlt. Das war großartig“, erinnert sich der Musiker. Denn so konnte er die Stadt seiner Kindheit neu entdecken – und sich neu in sie verlieben. Paris – das ist aber auch die Stadt, in der seine Familie und viele seiner engsten Freunde leben. „Familie war mir schon immer wichtig“, sagt Tamestit, „aber sie wird immer noch wichtiger für mich.“

Auf dem Boden der Tatsachen: Die Familie ist der Ruhepol

Vor allem, seit er selbst Vater geworden ist: Familie sei das Zentrum eines Menschen. Sie repräsentiere, wer man als Mensch sei. „Und sie hilft dir, dich nicht zu verlieren“, erklärt der Bratscher. Zum Beispiel, wenn man in einer Woche in drei Städte reisen müsse oder Konzerte in vier verschiedenen Ländern gebe: Dann sei die Familie als Ruhepunkt enorm wichtig. Er sei ein leidenschaftlicher Musiker, gesteht Tamestit, er könnte sich in der Musik voll und ganz verlieren. „Meine Familie hält mich aber auf dem Boden der Tatsachen. Sie zieht mich immer wieder in das normale Leben zurück.“

Antoine Tamestit, das ist der Franzose mit den kurzen, braunen Locken und dem spitzbübischen Lächeln. Manch einer nennt ihn zurückhaltend. Er selbst nennt sich einen fröhlichen Menschen. Aber auch manchmal gestresst und sensibel – auf eine gute und eine schlechte Art, wie er sagt. Doch davon ist im Moment nichts zu merken: Gerade erzählt er lebhaft einen seiner liebsten Bratscher-Witze. Überhaupt liebe er Witze, sagt Tamestit. Er könne sich so ziemlich an jeden Witz erinnern, den er jemals gehört habe.

So wie an diesen mit dem Streichquartett, das auf einer einsamen Insel strandet und einen Flaschengeist findet, der jedem Musiker einen Wunsch erfüllt. Die erste Geige will ein berühmter Solist sein. Die zweite Geige wünscht sich, in Zukunft nur noch die erste Geige zu spielen. Der Cellist würde gerne ein berühmter Dirigent sein. Und der Bratscher? Der fühlt sich einfach nur ein bisschen einsam und wünscht sich alle seine Kollegen wieder zurück auf die Insel. Antoine Tamestit lacht. Es ist ein Lachen, bei dem man unwillkürlich mitlachen muss. „Ich glaube, wir Bratscher kennen die Witze über uns am besten“, sagt der Musiker und zählt kurz darauf eine ganze Reihe berühmter Komponisten auf, die ebenfalls Bratsche gespielt haben: Mozart, Beethoven, Dvořák, Britten, Schubert, Tschaikowsky.

Gerade mit Bratsche: Tamestit liebt Überzeugungsarbeit

Antoine Tamestit

Manche Zuhörer – aber auch einige Veranstalter – müssten von der Bratsche und ihren Vorzügen noch überzeugt werden. „Aber ich liebe es, Menschen zu überzeugen“, stellt der Franzose schmunzelnd fest. Das beste Kompliment sei, wenn jemand nach einem Konzert auf ihn zukomme und sage: Ich wusste gar nicht, dass die Bratsche so klingen kann.

Neue Leidenschaft: backen!

Neben der Musik hat Antoine Tamestit indes noch eine andere große Leidenschaft: das Essen. Eines seiner Lieblingsgerichte ist Pasta – in allen Variationen. Pasta könnte er jeden Tag essen, rund um die Uhr, verrät er. Genauso wie süßen Nachtisch und Kuchen. Er sei einfach ein „sweet tooth“, ein süßer Zahn, sagt der Musiker über sich selbst. Deshalb hat er auch vor einiger Zeit angefangen, selbst zu backen. „Naja, ich versuche es zumindest. Aber Backen ist gar nicht so einfach.“

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