Serielle Musik, Field Recordings, Mikrotonalität, musikalische Grafik, mediales Komponieren und elektronische Klangerkundungen – die Liste dessen, was unter dem Begriff Neue Musik gefasst wird, ließe sich beliebig verlängern. Da verliert man leicht den Überblick – sofern man ihn jemals hatte. Mit seinem Buch „Der Klang der Gegenwart“ wendet sich Björn Gottstein, Redakteur für Neue Musik beim SWR in Stuttgart und seit 2015 künstlerischer Leiter der Donaueschinger Musiktage, an Lesende, die in das Thema einsteigen wollen ebenso wie an „fortgeschrittene“ Hörer jener Musikformen, die seit der Sprengung der Tonalität vor über hundert Jahren mit unterschiedlichsten Ansätzen immer neue Felder der klingenden Kunst erschließen.
Björn Gottstein spürt auch Sonderbares auf
Das Buch erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit – was auch vermessen wäre – noch auf Repräsentativität, sondern wirft einen selektiven und damit subjektiven Blick auf musikalische Strömungen sowie punktuelle Versuchsanordnungen und Praktiken und ordnet diese in gesellschaftliche Kontexte ein. Von Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“, bei dessen skandalöser Uraufführung in Hamburg im Jahr 1968 die Polizei einschreiten musste, über die Erfindung neuer Instrumente und Klangerzeuger, die es nie zur Marktreife gebracht haben, bis hin zur schwedischen Gruppe Guds Söner, die mit ihren rituellen Klanginstallationen Brücken ins Jenseits schlagen wollten spürt der Autor zudem den Sonderbarkeiten rund um die zeitgenössische Musik nach, zu denen vielleicht auch der immer beliebter werdende Rückgriff auf historische Stile zählt.
Der Klang der Gegenwart. Eine Kurze Geschichte der Neuen Musik
Björn Gottstein
Reclam, 272 Seiten
28 Euro
