Talent und künstlerische Qualität sind leider kein Garant für Bekanntheit und Erfolg. Immer wieder gibt es Menschen, die sind brillant, die sind begabt, die leisten Großes – doch sie werden von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Pi-hsien Chen ist hier ein typisches Beispiel. Wer sie einmal im Konzert erlebt oder eine ihrer zahlreichen Aufnahmen (von denen viele als Referenz gelten) studiert hat, fragt sich unmittelbar: Wie kann es sein, dass diese grandiose Pianistin so wenig bekannt ist? So erging es auch Musikjournalistin und Autorin Michaela Fridrich, die sich nun mit einem tiefgreifenden Porträt dafür einsetzt, den blinden Fleck in der Wahrnehmung zu tilgen.
Anhand von Dokumenten und persönlichen Interviews erzählt Fridrich den spannenden Weg einer „außergewöhnlichen Künstlerin unserer Zeit“, die in ihrer taiwanesischen Heimat als Wunderkind bestaunt wurde und mit neun Jahren zum Studieren nach Köln kam, wo sie später selbst unterrichtete. Mit 21 gewann sie den Internationalen Musikwettbewerb der ARD, nahm 1975 die deutsche Staatsbürgerschaft an und bereiste als Virtuosin alle großen Bühnen der Welt. Heute lehrt sie an der Hochschule in Freiburg. Besondere Aufmerksamkeit verdient sich Pi-hsien Chen mit der ungeheuren Breite ihres Repertoires. Als Expertin gleichermaßen für Alte wie für Neue Musik kombiniert sie in ihren Programmen gerne Beethoven mit Stockhausen oder Cage mit Scarlatti. Diese beeindruckende „Tastenforscherin zwischen Welten“ sollte zurecht mehr in den Fokus gerückt werden.