Wie nähert man sich der Persönlichkeit eines verstorbenen Komponisten? Gewöhnlich durch das Lesen einer Biografie, durch veröffentlichte Briefwechsel oder Tagebücher, die in ihrer chronologischen Anordnung das Narrativ einer Parallelführung von Lebenslauf und künstlerischer Entwicklung konstruieren. Etliche Veröffentlichungen haben sich daran versucht, das von Brüchen und Neuanfängen gekennzeichnete Leben Kurt Weills auf diese Weise einzufangen und mit seinem vielgestaltigen Werk in Einklang zu bringen.
Kurzweil mit Kurt Weill
Andreas Eichhorn geht einen anderen Weg und nähert sich dem Schöpfer der „Dreigroschenoper“ in Form eines Almanachs. Angeordnet nach dem kalendarischen Prinzip der Jahrestage, bietet das Lesen der dokumentarischen Textblöcke von maximal einer Seitenlänge einen kaleidoskopartigen Überblick über Weills künstlerische Stationen, seine eigenen Gedanken und Stellungnahmen – häufig in Korrespondenz mit seiner Frau Lotte Lenya – sowie die mediale Rezeption der Aufführungen seiner Werke. Aus einzelnen, vielfach bebilderten Textinseln formt sich bei fortschreitender Lektüre das Bild eines Mannes, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem als Bühnenkomponist auf beiden Seiten des Atlantiks überragende Erfolge feierte. Die Kurzweil und der Geist der Überraschung, die als zwei Qualitäten aus Weills Musik hervorstechen, eignen auch diesem Buch, das für all diejenigen, die auf eine chronologische Ordnung nicht ganz verzichten wollen, ein hilfreiches Register bereit hält.
365 Tage mit Kurt Weill – Ein Almanach
Andreas Eichhorn (Hg.)
Olms, 312 Seiten
28 Euro