Wer hätte nicht schon davon geräumt, Berühmtheiten aus der Vergangenheit zu begegnen und sie zu befragen? Genau das passiert der Südtiroler Doktorandin Petra im Roman „Goin’ Home“ von Christian Much. Sie forscht über Antonín Dvořak und Amy Beach als Vorboten heutiger Identitätsdebatten. Schließlich beschäftigte sich Dvořak, der einst in New York dem Musikleben der USA Impulse geben sollte, nicht nur mit böhmischer Folklore, sondern auch mit afroamerikanischen Musiktraditionen und denen der Native Americans. Seine US-Kollegin Amy Beach, deren Musik gerade wiederentdeckt wird, hat ebenfalls indigene Musiktraditionen verarbeitet. Der literarische Trick der fantastischen Romanhandlung: Bei der Recherche im New York von heute trifft die Doktorandin unverhofft auf Amelie und Tony alias Beach und Dvořak, die als fidele Untote intensiv debattieren. Dazu kommt noch der legendäre Jazz-Pianist Bud Powell. Man könnte diese Volte plump finden. Lässt man sich aber darauf ein, erfährt man eine Menge über US-amerikanische Musik, Feminismus, Nationalismus, kulturelle Aneignung und Rassismus. In einem weiteren Erzählstrang geht es darum, wie Petras Partner, der nigerianische Journalist Bukar, sich beim UN-Sicherheitsrat für die Opfer der Terrorgruppe Boko Haram einsetzt.
Autor Christian Much bietet viele Informationen und bringt aufschlussreiche Perspektiven ein. Im Buch verstreut sind zudem QR-Codes, um die erwähnten Musikstücke per Smartphone zu hören. Nur: Als Roman funktioniert dieses Buch allenfalls bedingt. Die Romanfiguren berichten einander viel, schildern, erinnern sich, agieren aber wenig, bleiben so auf Distanz. Trotzdem anregend als Einstieg in die Themenkomplexe.
Goin’ Home. Oder: Ein Aufbruch
Christian Much
Wolke, 310 Seiten
29 Euro