Eine imposante Materialfülle, dieses Buch kann durchaus als nerdy gelten. Aber im positiven Sinne: Die Begeisterung und Sammelwut des glühenden Fans verbindet sich mit der Akribie, Systematik und kritischen Betrachtung der Forscherin. Auf diese Weise behandelt die Musikwissenschaftlerin Claudia Behn den Werdegang der legendären „Wiener Nachtigall“, Koloratursopranistin Rita Streich. Geboren wurde Streich 1920 in Sibirien, wo ihr Vater als Kriegsgefangener interniert war, 1987 starb sie nach einer glanzvollen Karriere in Wien. Behn erzählt weitgehend chronologisch: Kindheit und Jugend, Karrierebeginn an den Berliner Opernhäusern, Mitglied im Ensemble der Wiener Staatsoper, Gastspiele von Rom bis Chicago, Professuren in Essen und Wien, letzte Jahre. Kapitel über „Schallplattenaufnahmen“, „Spielfilme“ und „Stimmcharakteristik“ runden die Annäherung an die Künstlerin ab.
Rita Streich: Zwischen Opernkarriere und Rollenerwartungen
Es gibt Einblicke ins Stimmfach, etwa dass es sich dabei nicht um „Zwitschermaschinen“, sondern um verdichteten Ausdruck handelt. Gleichzeitig kann das Buch gelesen werden als Porträt einer beruflich erfolgreichen Frau in der Nachkriegszeit, konfrontiert mit der Überforderung, ihr Privatleben und die damals geltenden Rollenerwartungen mit der international stattfindenden Opernkarriere in Einklang zu bringen. „Handlungsreisende mit dem hohen C“ nannte sie ihr Kollege Hans Hotter. Zwar wird im Buch vieles allzu detailversessen beschrieben, die Datenflut zu Orten, Weggefährten und Besetzungen stehen zuweilen eher im Weg. Aber der flüssige, anschauliche Sprachstil zieht einen immer wieder in das Erzählte hinein.
„Auch ich versteh’ die feine Kunst“ – Biografie über die Koloratursopranistin Rita Streich
Claudia Behn
Königshausen & Neumann, 672 Seiten
49,80 Euro