Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Diese Weisheit des Vorsokratikers Heraklit könnte das Motto für das in vielerlei Hinsicht überraschende Album von Víkingur Ólafsson sein. Der isländische Pianist versteht es eindrucksvoll, die Repetitionen von Philip Glass so auszugestalten, dass keine Wiederholung wie eine Wiederholung klingt – was umso erstaunlicher ist, als es sich bei den Klavierstücken um Etüden handelt, um Werke also, die von vornherein das Repetitive in sich tragen. Nachgerade betörend sind auch die schillernden Klangflächen, die Ólafsson seinem Flügel entlockt und aus denen sich immer wieder melodische Miniaturen schälen. Jeder Nuance, nachgerade jeder Note verleiht Ólafsson Gewicht und umschifft damit bezwingend die klassische Gefahr bei Glass-Stücken, letztendlich nur eine gefühlige Beliebigkeitswolke am Instrument zu erzeugen. Ein würdiges Debüt des 1984 geborenen Isländers beim Gelblabel, der zuvor schon mit unkonventionellen Programmen auf sich aufmerksam machte.
Glass: Klavierwerke
Glassworks (Opening), Etüden Nr. 2, 3, 5, 6, 9, 13-15, 18 & 20, Glass/Badzura: Glassworks (Opening) für Klavierquintett, Etüde Nr. 2
Víkingur Ólafsson (Klavier), Siggi String Quartet
Deutsche Grammophon