Ein Seitenstrang der Berlioz-Rezeption missversteht den Meister der Instrumentation als sinfonischen Rausch- und Krawall-Macher. Es geht aber auch anders: Mit fluoreszierenden Farbpigmenten, brillanter Transparenz sogar bei hohen Lautstärken und einer pointierten Modellierung der dramatischen Akzente durch die Solostimmen. Beim Orchestre Philharmonique de Strasbourg und John Nelson stimmt jeder Akzent. Perfekt singt Cyrille Dubois sein Minutensolo. Berückend gestaltet Joyce DiDonato ihre Strophen in „Roméo“ und haucht nach dem Schlangenbiss Cléopâtres Seele mit einer vokalen Raffinesse aus, in der subtile Rhetorik zu spirituellem Hauch wird. Christopher Maltman ist dagegen ein eher rauer als balsamischer Père Laurence. Akustisch gerät Berlioz‘ Geniestreich zu einer idealen Wiedergabe, die trotz ihrer geschmeidigen Eloquenz und vitalen Leichtigkeit nicht zum dramatischen Fliegengewicht wird.
Berlioz: Roméo et Juliette op. 17 & Cléopâtre
Joyce DiDonato (Mezzosopran), Cyrille Dubois (Tenor), Christopher Maltman (Bariton), Coro Gulbenkian, Choeur de l’OnR, Orchestre Philharmonique de Strasbourg, John Nelson (Leitung)
Erato