Es gibt nicht nur Gluck, wenn Orpheus musikalisch in die Unterwelt klettert, um seine Eurydike wiederzugewinnen. Marc-Antoine Charpentier hat sich in seiner „Tragédie lyrique“ auf den ersten Teil der Geschichte konzentriert, den Abstieg ins dunkle Souterrain. Dann bricht das Autograf ab, und bis heute wird gerätselt: Mit Absicht? Das Ensemble Correspondances und sein Spiritus Rector Sébastien Daucé haben die knapp einstündige Oper nun festgehalten – auf betörend frische Weise. Das klingt so unverbraucht, als habe Charpentier bis gestern an der Partitur gearbeitet. Viele Finessen werden ungemein plastisch herausgearbeitet, doch ohne Übertreibung. Das aus dem Ensemble Correspondances rekrutierte Sängerensemble überzeugt durch Homogenität und Geschlossenheit mit den Instrumentalisten. Charpentiers Musik leuchtet und kommt wie auf Zehenspitzen daher, allen Klagen des Titelhelden zum Trotz!
Charpentier: La Descente d’Orphée aux Enfers
Ensemble Correspondances, Sébastien Daucé (Leitung)
harmonia mundi